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Dunkle Schatten (German Edition)

Dunkle Schatten (German Edition)

Titel: Dunkle Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
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Dann beginnt sich erneut das
Teufelskarussell zu drehen. Vielleicht kann er hier irgendwo einbrechen, etwas
mitgehen lassen und es zu Geld machen. Oder einer Alten die Handtasche rauben.
Am liebsten möchte er die Bank an der Ecke überfallen, aber mit seinem
Springmesser und in seinem jämmerlichen Zustand wird das wohl nichts.
Schließlich leben hier die Geldsäcke, und die können ruhig etwas abdrücken.
    Ziel- und planlos irrt er durch Straßen und Gassen, leiert sein
Sprüchlein herunter, sobald er auf Passanten trifft, ob sie nicht ein wenig
Kleingeld für ihn übrig hätten, erntet dafür argwöhnische, feindselige,
ignorante Blicke und spitze Bemerkungen. Manche wechseln die Seite, als sie ihn
sehen.
    Er könnte versuchen, in dem Supermarkt etwas Essbares zu klauen, doch ein
letzter Funken von Verstand hält ihn zurück, da er einige Verwaltungsstrafen
offen hat, die er nicht bezahlen kann, und deshalb zur Fahndung ausgeschrieben
ist. Wird er erwischt, sitzt er für längere Zeit ein. Dann lieber nach einer
alten Frau Ausschau halten, die leicht zu überfallen ist. Vorher will er noch
die Mülltonnen hinter dem Markt näher in Augenschein nehmen. Darin findet sich
sicherlich einiges an Verwertbarem und abgelaufenen Lebensmitteln.
    Die ungefähr fünfundzwanzigjährige, hagere, ausgemergelte Jammergestalt
mit den verfilzten Haaren, kaputt, verdreckt, in desolaten Klamotten, wankt
über den Parkplatz. Ein Gestank nach verfaultem Obst und Gemüse weht ihm
entgegen. Er stößt sich an einem herumliegenden Karton, flucht lautstark, zieht
den schweren Metalldeckel auf, stemmt sich ächzend hoch und beginnt
herumzustöbern. Reißt Müllsäcke auf, wirft mit dem Inhalt um sich, schimpft
lautstark, weil er tatsächlich nur Abfall vorfindet, vor dem selbst ihm graut,
zieht die Blicke verärgerter Kunden auf sich, doch niemand wagt es, ihn
anzusprechen. Dafür pöbelt er unflätig die Leute an und wühlt weiter im Dreck.
    Plötzlich zuckt er zusammen und schreckt hoch, sieht Blut an seinen
Händen, glaubt zuerst, sich an Scherben geschnitten zu haben, kann jedoch
keinerlei Verletzungen entdecken, wischt seine besudelten Hände mit einem
Papierfetzen ab, greift abermals in den zerrissenen Beutel und erstarrt, als er
einen sauber von der Achsel abgetrennten Arm sieht. Trotz seines vernebelten
Hirns erkennt er sofort, dass es sich um einen Frauenarm handelt. Das Grauen
steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er reißt sich zusammen, sieht nochmals genauer
hin und entdeckt an einem Finger einen schmalen Ring mit einem kleinen,
glitzernden Stein. Er versucht, den Schmuck abzuziehen, doch die Leichenstarre
verhindert es. Mit aller Gewalt unterdrückt er den aufkeimenden Brechreiz,
schließt die Augen und bricht den Finger. Er zieht und dreht so lange, bis er
tatsächlich erfolgreich ist. Blitzartig springt er, den Ring in seiner Faust,
von der Tonne und ergreift die Flucht.
    Das hektische Bellen einer Promenadenmischung, die wie verrückt an der
Leine zerrt, führt sein Frauchen unweigerlich zu der Mülltonne. Das Hündchen
wittert Fleisch, und die gebrechliche ältere Frau muss sich wohl oder übel von
ihrem Liebling die Richtung diktieren lassen. Der Abfallbehälter übt auf den
Kläffer eine magische Anziehungskraft aus. Wie von Sinnen hüpft das Tier davor
auf und ab. Das Letzte, was die Frau zu sehen bekommt, bevor sie bewusstlos
zusammenbricht, sind im Todeskampf erstarrte, blutige Finger, die verkrampft
gegen den Himmel gerichtet sind.
    Keuchend verkriecht der Junkie sich in einen Hauseingang. Mit Spucke
säubert er notdürftig den Ring. So viel erkennt er, als er das Schmuckstück
gegen das Licht hält, dass es sich anscheinend um keinen billigen Tand handelt.
Er kneift die Augen zusammen, erkennt, dass auf der Innenseite Wörter in einer
ihm unbekannten Schrift und ein Datum eingraviert sind.

 
    *

 
    Sichtlich angespannt und nervös wird Kurt-Friedrich Midas von
Parteisekretär Sigmund Sauslinger im Sondergastraum des VIP-Bereiches am
Flughafen Wien-Schwechat erwartet.
    Endlich kommt er, braun gebrannt und wie immer mit perfekt sitzender,
luftiger Föhnfrisur, in Begleitung seiner Frau Graciella. Beide in legerer,
exquisiter Freizeitkleidung. Sie schreiten durch die Glastüre, den höflichen
Gruß des Personals erwidern sie nur beiläufig. Nach außen hin immer den
Sonnyboy spielen, schließlich können Paparazzi lauern, und schlechte Presse
braucht er wie Wasser in den Schuhen.
    Das Strahlemannlächeln gefriert,

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