Dunkle Schatten (German Edition)
Treffen, wie es in Wien heißt, der
Schmäh. Man zieht sich gegenseitig auf, reißt Witze auf Kosten anderer, bekommt
selbst Fehler und Schwächen unter die Nase gerieben, aber nie ist es bösartig.
Petranko sitzt mit einer Gruppe Kollegen zusammen, auch Drogenfahnder
Wolfgang Pressling ist dabei, und sie reden pausenlos, mokieren sich über die
neue Innenministerin, einer ehemaligen Lehrerin, die wohl ihr Ministerium wie
einen Schulbetrieb führen will, was natürlich Stoff für blöde Witze bietet.
»Sag mal, Thomas«, wendet einer der Beamten sich Petranko zu, »hast du
noch Kontakt zu deinem Journalistenkumpel?«
»Meinst du Kokoschansky?«
»Ja, klar. Zwar nicht so häufig, als ich noch aktiv war, aber doch
sporadisch.« Der alte Fuchs Petranko ist sofort hellhörig geworden, lässt sich
aber nichts anmerken. »Warum fragst du?«
»Nur so«, erwidert der Kollege, »ohne besonderen Grund. Aber es hat uns
allen sehr getaugt, wie dieser Kokoschansky vor der Fernsehkamera Lackner und
Erharter hat auflaufen lassen. In der Mittags-Zeit-im-Bild haben sie
schon ein paar Ausschnitte gezeigt.«
»Deren Beliebtheit hat sich wohl nicht gesteigert«, schmunzelt Petranko.
»Vergiss es, Thomas«, sagt einer der Beamten mit einer wegwerfenden
Handbewegung, »seit Katterka wieder zurück ist, haben die zwei einen Höhenflug
angesagt, bloß weil sie zu seinen Speichelleckern geworden sind. Sei froh, dass
du mit dem ganzen Scheiß nichts mehr zu tun hast. Wer will noch was trinken?«
Er steht auf, blickt um sich. »Ich hole uns noch etwas.«
»Dann sei so nett«, bittet Petranko, »und bring mir noch ein Bier mit.
Ich darf ja jetzt um diese Zeit, bin nicht mehr im Dienst. Und mit der
bescheidenen Beamtenpension ist man für jede Einladung dankbar.«
»Hast du nicht vorhin erzählt«, mischt Wolfgang Pressling sich grinsend
ein, »dass du dir erst zwei Wochen lang die Sonne in Griechenland auf den Bauch
hast scheinen lassen? Von wegen …«
»Ja, aber«, versucht Petranko, sich mit lachendem Gesicht zu
rechtfertigen, wird jedoch von einer vertrauten Stimme unterbrochen.
»Ja, das freut mich aber wirklich, dass du dich wieder einmal bei uns
blicken lässt«, strahlt Alfred Cench, »alles im Lot, du glücklicher Rentner?«
Cench war einer von vielen Partnern Petrankos, die im Laufe ihrer
Karriere bei ihm das Handwerk lernten. Auf Fredi konnte er sich immer
verlassen. Ein erstklassiger Kombinierer und logischer Denker, ein integrer
Kollege durch und durch, der sich zu einem wahren Experten für Organisierte
Kriminalität entwickelte.
Durch seine offene Art, auch nicht vor Vorgesetzten mit seiner Meinung
hinter dem Berg zu halten, eckt er immer wieder an. Wie oft er schon in die
unterschiedlichsten Abteilungen unter fadenscheinigen Vorwänden hin und her
versetzt wurde, weiß er fast selbst nicht mehr. Im BKA weiß jeder, dass
Katterka Cench nicht leiden kann, weil er ihm fachlich überlegen ist, und es
nur mehr eine Frage der Zeit ist, bis Katterka ihn weit weg von ihm irgendwohin
verbannen wird.
»Fredi, gut siehst du aus! Wie immer!«, lobt Petranko seinen alten
Partner, der stets tiptop gekleidet ist und durch sein Faible für ein
stilvolles Erscheinungsbild in den eigenen Reihen Missgunst hervorruft, »bist
du noch bei der OK 22 ?«
»Offiziell bin ich es noch«, sagt Cench bewusst laut, sodass es alle
hören können, »hängt alles vom großen Häuptling ab, wie lange er seinen
Indianer noch in seinem Stamm haben will.«
Jeder weiß, wie er das meint. Dementsprechend Grinsen, verhaltenes oder
lautes Gelächter in der Kantine, je nachdem, wie die einzelnen Leute zu ihrem
Boss Katterka stehen.
»Hat mich gefreut, Thomas.« Der Beamte, der gezielt Petranko auf
Kokoschansky angesprochen hatte, erhebt sich. »Ich muss wieder etwas tun.«
»Er lässt es mich schon spüren«, Cench setzt sich zur Runde und lockert
seinen Krawattenknopf, »dass er am längeren Ast sitzt. Dafür habe ich jetzt
auch einen scheußlichen Frauenmord am Hals. Für heute reicht es mir. Ich
brauche nichts mehr zu essen.«
Kaum hat der Mann, der sich so intensiv für Petrankos Beziehung zu
Kokoschansky interessierte, die Kantine verlassen, ruft er sofort Lackner an
und teilt ihm mit, dass der ehemalige Chefinspektor im Haus ist. Merkwürdig,
ausgerechnet an dem Tag, an dem Kokoschansky gewissermaßen das BKA öffentlich
angeschwärzt hat, taucht der Busenfreund des Journalisten auf. Da wäre etwas im
Busch, und er hoffe, dass Lackner sich daran
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