Dunkle Schatten (German Edition)
gleichen Partei. Ebenso wie unsere Justizministerin.
Doch die ist zu blauäugig, die versteht einfach die Zusammenhänge nicht. Der
geht es nur um ihr Amt, und die will möglichst eine ruhige Kugel schieben. Sie
will nicht die gleichen Fehler begehen wie ihre Vorgängerin, die ebenso eine Blindgängerin
war. Mit der Begründung, dass unsere Abhöraktionen teilweise nicht rechtlich
gedeckt sind, und wegen angeblicher Formalfehler. Auch mein Argument, Gefahr in
Verzug, fruchtete nichts. Wir haben einige Aktionen im Alleingang ohne
Genehmigung durchgezogen, was richtig ist. Na und? Draußen laufen ein paar
Drecksäcke herum, und wir sind zum Däumchendrehen verurteilt. Daher überlegt
man, gegen uns Disziplinarverfahren einzuleiten. So läuft das in Österreich.«
»Scheiße«, presst Pointinger zwischen den Zähnen hervor, »mit anderen
Worten – Midas, Sauslinger, Ährenbach, Nazeem al-Qatr und die gesamte Bagage
können sich ins Fäustchen lachen. Sämtliche krummen Deals, Geschäfte,
Absprachen, dieser gesamte Moloch im Zusammenhang mit der Estate Carinthia Bank
werden unter den Teppich gekehrt. Und noch einer lacht dröhnend …«
»Ich weiß«, sagt Adrian Konschak leise, »der Strippenzieher in dieser
Geschichte, der so plötzlich tödlich verunglückte Marius Höger. Der sitzt jetzt
auf seiner Wolke …«
»… eher in einem Kessel in der Hölle.«
»Das glaube ich nicht. Der hat es sich bestimmt auch im Jenseits regeln
können. Und eines, was noch viel schlimmer ist, wir beide wissen, dass Bortner
Blut an seinen Händen hat, und wir dürfen nicht einschreiten. Ob er die Nutte
nun im Testosteronrausch und, durch Viagra aufgeputscht, umgebracht hat oder es
ihm«, dabei zeigt Konschak mit den Fingern das Zeichen für Gänsefüßchen, »nur
passierte, ist unerheblich. Das Mädel ist tot. Die Justiz deckt unwissentlich
einen Oberstaatsanwalt für eine Bluttat, selbst wenn es auf fahrlässige Tötung
hinauslaufen würde. Und wir vom BKA hängen voll mit drin.«
»Weißt du, dass heute Leichenteile einer jungen Frau gefunden wurden?«
»Nein, weiß ich nicht.« Konschak sieht seinen Partner verwundert an.
»Und? Was hat das mit unserem Fall zu tun?«
»Die ersten Teile dieser unbekannten Frau wurden zuerst in Grinzing
gefunden und später weitere am Cobenzl. Klingelt es jetzt bei dir?«
Adrian Konschank presst die Hände vor den Mund und bläst die Luft
zwischen den Fingern hindurch.
»In Grinzing wohnt auch Nazeem al-Qatr …«
»Da kann doch etwas nicht stimmen. Und KFM ist plötzlich wieder im Lande.
Glaubst du an Zufälle? Ich nicht. Sollten wir Katterka nicht gemeinsam
weichzuklopfen versuchen?«
»Das bringt überhaupt nichts«, wehrt Konschak ab. »Erstens, dieser Mann
mit solch einem butterweichen Rückgrat ist für mich erledigt, und zweitens will
Katterka nach den nächsten Nationalratswahlen Innenminister werden. Dafür tut
er alles. Er will an Saller Rache nehmen, der ihm seinerzeit seinen Rauswurf
aus der Polizei eingebrockt hatte, er dafür sogar vor Gericht stand und mühsam
um seine Rehabilitation kämpfen musste. Er wird alles unterlassen, was ihn
nochmals zwingen könnte, seinen Sessel erneut verlassen zu müssen.« Konschak
steht auf, geht zu seinem Kollegen hinüber, beugt sich vor und flüstert: »Wir
stehen zwar ab sofort in der zweiten Reihe, doch auch aus dieser Position kann
man hervorragend feuern. Die Frage ist, ziehst du mit?«
»Dann laden wir durch.«
*
Nach und nach löst sich die Runde in der BKA-Kantine auf, Petranko bleibt
alleine am Tisch zurück und beobachtet das ständige Kommen und Gehen. Der
ehemalige Chefinspektor ist sicher, dass seine Anwesenheit im Haus längst
bekannt ist, und sein Riecher sagt ihm, wem er das zu verdanken hat. Es wird
sich die Gelegenheit ergeben, es dem Betreffenden heimzuzahlen.
Daher ändert er seinen ursprünglichen Plan. Petranko wollte eine
befreundete Chemikerin für eine Vorab-DNA-Analyse bitten, doch jetzt wird er
die Finger davon lassen und lieber die paar Kilometer ins Forschungszentrum
Seibersdorf in der Nähe von Wien fahren, wo er ebenfalls einen Experten an der
Hand hat.
Der pensionierte Kriminalbeamte lächelt still in sich hinein. Mit der
nötigen Geduld erledigen manche Dinge sich von selbst. Gespielt gelangweilt
blättert Petranko in einem der aufgelegten Polizeifachmagazine, und dennoch
entgeht ihm nichts. Die siamesischen Zwillinge, wie sie bereits intern genannt
werden, kommen herein und holen sich einen Kaffee.
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