Dunkle Schatten (German Edition)
Du hast doch nichts verändert?«
»Nein«, bestätigt Kokoschansky.
»Ausgezeichnet. Ich werde jetzt ins BKA fahren. Alte Kollegen besuchen.
Was eben Pensionisten tun, wenn ihnen fad ist. Das fällt nicht auf. Ich weiß
ja, wo die Büros von Lackner und Erharter sind. Da wird sich eine Gelegenheit
ergeben. Anschließend werde ich in der Kriminaltechnik vorbeischauen, der alte
Petranko hat noch seine verlässlichen Freunde, und dann sollen sie eine
Schnellanalyse machen. Dafür muss ich den Deckel eurer Spülung mitnehmen.«
Kokoschansky fehlen im Moment die Worte, legt nur anerkennend die Hand
auf Petrankos Schulter.
»Das vergesse ich dir nicht«, bedankt sich der Journalist.
»Schon gut. Noch einen Rat, Lena«, Petranko nimmt sie an der Hand, »wenn
ich mir das erlauben darf. Warte mit deiner Kündigung noch zu. Wenn du jetzt
den Krempel hinschmeißt, käme das praktisch einem Schuldeingeständnis gleich. Fahre
ins Generalinspektorat, lass dich gegebenenfalls zusammenstauchen, schluck’s
einfach runter. Ich kann dich wirklich verstehen, aber jetzt wäre es ein
fataler Fehler. Wir müssen herausfinden, warum das BKA so erpicht darauf ist,
Koko zu legen. Nur weil er Saller kennt? Das ist mir zu wenig. Und du, Koko,
verweigerst jedes Interview, bis wir hoffentlich ein brauchbares Ergebnis
vorweisen können, um diese beiden Arschlöcher abzuschießen. Für deine Kollegen
erhöht das nur die Spannung auf eine brandheiße Story. Jetzt gebt mir den
Deckel, damit ich verschwinden kann.«
»Und wenn es kein Ergebnis gibt?« Kokoschansky nagt nachdenklich an
seinem Daumen.
»Dann werden sie dich mit Klagen zuscheißen«, bringt Petranko es
ungeschminkt auf den Punkt.
*
Sämtliche Versuche, den gestohlenen Ring zu verhökern, scheitern. Trotz
seiner erbärmlichen Verfassung hat der Junkie begriffen, dass das Schmuckstück
aus Gold und der Stein sicherlich auch kein billiger Plunder ist. Die Wirkung
des Heroins wird immer schwächer, und er ist auf dem besten Weg zu krachen, der
Entzug macht sich immer stärker bemerkbar. Daher will er den Ring so schnell
wie möglich in H 19 umsetzen. Zuerst versucht er es am
Karlsplatz, einem der Wiener Drogentreffpunkte. Niemand wollte etwas damit zu
tun haben. Die Entzugsschmerzen werden immer ärger. Der Akku seines Handys
zeigt nur mehr eine schwache Anzeige, und sein Dealer ist nicht zu erreichen.
Mit letzter Kraft fährt er mit der U-Bahn zur Station Josefstadt, wo sich
neuerdings ein Treff der Drogenabhängigen etabliert hat. Seine Eingeweide
krampfen sich zusammen. Er schleppt sich die Treppe zum Ausgang hinunter,
klammert sich an das Geländer, läuft geradewegs einem Zivilfahnder der EGS 20 in die Arme, bevor er der Länge nach hinknallen kann.
»Na, da haben wir ja einen alten Bekannten«, sagt Wolfgang Pressling und
lehnt den Junkie wie eine Holzlatte an die Wand, während weitere Fahnder
hinzukommen. »Wie oft in diesem Monat haben wir dich schon angehalten? Junge,
geh endlich auf Entzug, sonst krepierst du demnächst.«
Der Fahnder streift sich Einweghandschuhe über, während seine Kollegen
sichern. Obwohl der Junkie bisher noch nie gegenüber Polizisten aggressives
Verhalten gezeigt hat, kann man nicht sagen, ob er nicht doch plötzlich
ausrastet.
»Du kennst ja das Procedere. Räum deine Taschen aus.«
Unverständliches murmelnd, kramt der arme Teufel in seiner Jacke und in
der Hose. Seine Bewegungen sind extrem langsam, und es dauert eine Weile, bis
er das wenige, das er bei sich trägt, ausgepackt und auf den Steinboden
abgelegt hat. Eine angebrochene, zerknitterte Packung Zigaretten, ein
Plastikfeuerzeug, einen Schlüsselbund, Papiertaschentücher, ein wenig
Kleingeld, seinen Ausweis, ein Springmesser.
»Hast du etwas bei dir, woran ich mich verletzten könnte?«, fragt
Pressling. »Spritze? Oder eine Schusswaffe? Das Messer nehme ich dir gleich
einmal ab.« Routinefragen, die bei diesem Jungen nicht notwendig sind, weil er
sie auswendig kennt, aber bei jeder Anhaltung zur üblichen Prozedur gehören.
»Nein«, kommt es leise von den rissigen Lippen.
»Gift dabei?«
»Nichts. Wenn ich Stoff hätte, wäre ich jetzt nicht so am Sand.«
Pressling beginnt mit der Visitation, tastet den Jungen ab, der auch
seine Hose öffnen muss. Ein demütigendes Procedere vor den Augen der
Öffentlichkeit, das kaum noch jemandem ein neugieriger Blick wert ist. Mit
geübten Griffen wird er von dem Fahnder gefilzt. Plötzlich stutzt Pressling. In
der Innentasche
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