Dunkle Schatten (German Edition)
eine
ausladende Armbewegung in die Runde, »Marius Höger war unser Verbündeter und
verdiente durch uns Millionen.«
»Moment, Moment!«, Kokoschansky fasst sich mit den Händen an die
Schläfen. »Höger soll Opfer eines Mordanschlags gewesen sein?«
»An einem Auto lässt sich viel manipulieren«, bleibt Saller
geheimnisvoll, »ohne dass es der Lenker sofort merkt. Ab einer gewissen
Geschwindigkeit tritt plötzlich Unvorhergesehenes ein. Höger war als rasanter
Fahrer bekannt. Ein bisschen an der Elektronik herumpfuschen, einer der Airbags
explodiert, Höger erschrickt, verliert die Kontrolle über das Fahrzeug und aus
die Maus. Eigentlich sehr simpel. So wie dieses Auto zerstört war, konnte
niemand mehr den tatsächlichen Unfallhergang rekonstruieren.«
»Da ist tatsächlich einiges dran«, Kokoschansky ist nachdenklich
geworden, »und wenn ich ehrlich bin, hat die offizielle Version mich nie
überzeugt.«
»An deiner Stelle, Koko«, gibt Saller ihm einen Tipp, »würde ich intensiv
bei den al-Qatrs recherchieren.«
»Wie kommst du jetzt auf diese arabische Sippe? Was haben der
übergeschnappte Diktator und Höger miteinander zu tun? Gut, der Landeshauptmann
war mehrmals bei ihm in seinem Beduinenzelt in der Wüste zu Gast und war eng
mit Nazeem, einem der Söhne, befreundet. Na und? Das ist kein Geheimnis, das
war überall in den Medien präsent. Inzwischen ist bekannt, dass Höger von
Mahmud al-Qatr Geld in beträchtlicher Höhe angenommen hatte, wovon er
wahrscheinlich einen Teil in seine Partei investiert hatte.«
»Das ist der springende Punkt«, Saller nippt ein wenig an seinem
Mineralwasser, »Mahmud al-Qatr hat hohe Summen über Nazeem in die Estate Carinthia
Bank gebuttert. Ein ansehnliches Vermögen, zusammengeraubt vom eigenen Volk,
vielleicht auch Terrorgelder, was weiß ich. Ist auch nicht relevant. Tatsache
bleibt, die unfähigen Bankvorstände verspekulierten mit Högers Einverständnis
die gesamte Kohle in windigen Investitionen und mit dubiosen Kreditvergaben.
Die ECB war nichts anderes als Högers privater Selbstbedienungsladen. Dann
wollte Mahmud al-Qatr sein Geld zurück, und sein Sohn sollte es organisieren.
Höger musste Farbe bekennen und beteuerte, von allem nichts gewusst zu haben.
Die al-Qatrs interessierte das nicht. Plötzlich landete der Landeshauptmann im
Jenseits. Mehr gibt es wohl dazu nicht zu sagen.«
»Wir brauchen Österreich«, dabei pocht Salvatore Madeo mit dem
Zeigefinger auf die Tischplatte, »vor allem diese Estate Carinthia Bank. Euer
striktes Bankgeheimnis kommt uns sehr entgegen. Wir müssen unsere in der ECB
gebunkerten Vermögen schützen, auch wenn die Bank inzwischen von Ihrer
Regierung notverstaatlicht werden musste, um sie vor dem endgültigen Bankrott
zu retten.«
»Wenn wir schon so offen sprechen«, will Kokoschansky es jetzt genau
wissen, »um welche Gelder handelt es sich?«
Die drei Männer wechseln rasche Blicke untereinander. Zuerst sprechen
Saller und Madeo einige Minuten italienisch miteinander, dann parliert Saller
mit Daramci ć in ihrer kroatischen Muttersprache. Kokoschansky versteht nicht ein Wort
und wartet angespannt das Ergebnis dieser internen Konferenz ab.
»Wenn wir dich nur ein bisschen in diese Geschäfte einweihen, Koko«,
Saller beugt sich leicht vor, und seine Stimme klingt nun bedrohlich, »kann es
für alle Beteiligten sehr gefährlich werden. Ich kenne dich, und ich vertraue
dir, aber wie können wir dennoch sichergehen, dass du uns mit diesen
Informationen, unabhängig von dem Material, das wir dir später übergeben
werden, nicht doch ans Messer lieferst? Kein österreichischer Journalist bekam
jemals diese einmalige Chance, und es wird sie auch kein zweites Mal geben.«
Noch besteht für Kokoschansky die Möglichkeit aufzustehen, sich für die
Gastfreundschaft zu bedanken und nach Hause zu fliegen. Er ist sich sicher, sie
lassen ihn ungeschoren gehen. Er ist zwar inzwischen in diese Geschichte tief
verstrickt, aber noch nicht tief genug, um nicht mehr umkehren zu können. Will
er sich tatsächlich vereinnahmen, sich indirekt zu einem Handlanger der Mafia
und aller unschönen Begleitumstände machen lassen? Auch wenn ihm keine
Millionen mehr angeboten werden, ist es nicht dennoch ein Verkauf seiner
Unabhängigkeit und Freiheit? Kann er das vor sich selbst verantworten, lässt es
sich mit seinem journalistischen Verständnis und der Ethik vereinbaren? Es ist
ein ungeheurer Grenzgang ohne Absicherung und
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