Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
dass Sie nicht zum Volk gehören – was für mich ein Quell großer Bestürzung ist. Ich war bereit, den Test nicht vorzunehmen, wie Sie wissen. Dass Sie trotz meiner Einwände beharrlich blieben, spricht für Ihre Integrität und Ehre. Ich habe nicht die Macht, Ihnen etwas zu befehlen. Ich kann einzig darauf hoffen, dass Sie meiner Bitte entsprechen.« Nach einer kurzen Pause fuhr der Hohe Kämmerer fort: »Dass meine Worte wenig dazu beitragen, Sie umzustimmen, kann ich fühlen. Der Test des Dsen’yen’-ch’a ist für einen vom Volk logisch und angemessen. Für Sie dagegen, die Sie nicht vorbereitet sind und auch nicht alle Zusammenhänge verstehen, mag er willkürlich und ungerecht erscheinen. Ich bitte achttausendmal um Verzeihung, falls Sie das in irgendeiner Form besänftigen kann.«
Jackie überlegte, was sie am besten antworten sollte. Sie öffnete die Augen einen Spaltbreit und sah, dass der Meditationsraum in ein schwaches zinnoberrotes Licht getaucht war. Sie lag auf einer Art Sofa, Ch’k’te und der Kämmerer saßen auf leicht erhöhten Stangen. esLis Toms hing hinter ihnen und hob sich als Silhouette von der Wand dahinter ab.
Ihre Muskeln waren angespannt und schmerzten, als hätte sie sich tatsächlich körperlich extrem angestrengt.
Als hätte ich um mein Leben gekämpft, dachte sie.
»Ich … darüber muss ich erst in Ruhe nachdenken«, erwiderte sie schließlich. Ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern.
Der Hohe Kämmerer schien diese Antwort erwartet zu haben. Er kam von seiner Sitzstange geflogen. »Wenn Sie mich entschuldigen würden, aber die Prüfung hat mich viel Kraft gekostet, se Ch’k’te, würdest du den Commodore zurückbegleiten?«
»Ja, Würdiger«, erwiderte der förmlich und verbeugte sich, dann ließ er sich neben Jackie auf dem Deck nieder, damit er ihr beim Aufstehen helfen konnte. Wortlos führte er sie aus den Räumlichkeiten des Kämmerers.
Als sie ihr Quartier erreicht hatten, war Jackie fast zu müde, um noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Erschöpft öffnete sie die Tür, betrat den Vorraum und zog ihre Stiefel aus, dann ging sie weiter ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen. Ch’k’te folgte ihr, blieb aber an der Tür stehen.
»Kommen Sie schon rein.«
Einen Moment lang wartete er und sah sich um, dann trat er zum Bett und blieb mit einigem Abstand davor stehen.
Jackie stützte sich auf einen Ellbogen. »Was ist los?«
»Ich bin beunruhigt, se Jackie. Ich fühle mich, als hätte ich Sie verraten.«
»Wussten Sie, dass dieser Test so ablaufen würde?«
»Nein.«
»Das hatte ich auch nicht erwartet. Das war das Werk des Hohen Kämmerers. Für ihn steht viel auf dem Spiel. Er hat Sie noch mehr zu einer Schachfigur gemacht als mich. Keine Sorge, alter Freund, ich …« Sie wollte nach seinem Unterarm greifen, doch er wich zurück. Verwundert setzte sie sich auf. »Was ist?«
»Ich … nichts. Gar nichts.«
»Raus mit der Sprache. Was verheimlichen Sie mir?«
»Der Hohe Kämmerer … er hat mir viele Fragen gestellt, die meine Ehre und meinen … Anstand betreffen. Er wollte wissen, ob ich Ihr Liebhaber bin.«
»Was fällt ihm eigentlich ein, so …«
Ch’k’te hob seine Hand. »Ich sagte ihm, ich bin es nicht. Was den Grund für sein Interesse angeht – ich glaube, das werden Sie als Nächstes fragen wollen –, vermute ich, dass Sie die Antwort längst kennen. Ich bin ein Clanbruder des Hohen Nestes. Wären Sie eine vom Volk oder wäre ich ein Mensch, dann hätte die Frage eine andere Bedeutung.«
»Er ist trotzdem ein Bastard …«
»Er versucht, das Volk und die Menschheit zu schützen -vor den esGa’uYal.«
»Schöner leben mit Mythologien.«
»Ich … Verzeihen Sie, se Jackie, aber ich …«
»Schon gut. Mir erscheint es nur so, als wäre es sinnvoller, wenn er sich einen Kämpfer suchen würde, der auch an all das glaubt – an Qu’u, esLi und esGa’u …«
»Sie … Sie glauben nicht daran?«
»Nicht so, wie es ein Zor tut.«
»se Jackie, ich …« Ihm schienen die Worte zu fehlen. »Nach allem, was geschehen ist – wie können Sie da nicht glauben? Haben Sie in der Meditationskammer nicht esLi gespürt? Haben Sie während des Dsen’yen’ch’a im Sanktuarium nicht gegen esGa’us Diener gekämpft?«
»Es war ein Bild, das Tte’e in meinem Verstand erzeugte, Ch’k’te. Das war nicht real, das war bloß Einbildung.«
»Ich bitte Sie um Verzeihung, se Commodore, aber es war sehr wohl real. Auch wenn
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