Dunkle Sehnsucht des Verlangens
davon ablenken lassen. Noch immer empfand er die Gefühle
und Farben, die plötzlich seine Welt veränderten, als überwältigend. Dennoch
musste er immer wachsam bleiben, auch wenn er glaubte, mit Desari allein zu
sein. Er durfte niemals vergessen, dass man Jagd auf sie machte. Jagd auf seine
Gefährtin, Desari.
»Julian?« Sie schwamm auf ihn zu
und legte ihm zärtlich die Arme um den Hals. »Was hast du denn?« Auch sie
suchte den Himmel und die Umgebung ab. Sein Schweigen und seine gefährlich
funkelnden Augen ließen sie erschauern.
»Du lenkst mich zu sehr ab, cara mia. Ich muss immer für deine
Sicherheit sorgen, das darf ich nicht vergessen. Ich werde es nie wieder
zulassen, dass du dich in Gefahr begibst.«
Julians leise Stimme hatte
wieder diesen samtigen Klang angenommen, der immer eine Drohung bedeutete. Er
meinte jedes Wort ernst, das war unmissverständlich. Desari hatte mit ihm
gespielt und ihn geneckt - und er hatte ihren Überschwang gedämpft. Sie
antwortete ihm nicht, sondern ließ einfach die Arme sinken. Einen Augenblick
lang spiegelte sich die Traurigkeit in ihren dunklen Augen, ehe sie ihren Geist
vor Julian verschloss und davon- schwamm.
Ja, sie hatte ihn geneckt, das
gestand sie sich ein. Doch was war denn so falsch daran, ein wenig Spaß zu
haben? Sie spürte Julians inneren Kampf und wusste, wie schwer es ihm fiel,
plötzlich Gefühle zu haben. Jede Empfindung war neu für ihn - erotisches
Begehren, Eifersucht, Angst um ihre Sicherheit und Ärger über die Streiche, die
sie ihm spielte. Und dann gab es noch diesen eigenartigen Schatten, dessen
Ursprung er vor ihr verheimlichte. Sie hatte nur für ihn allein ein Konzert
geben wollen, um ihre spezielle Gabe mit ihm zu teilen. Ihr Gesang war von
Herzen gekommen. Nie zuvor hatte sie einem anderen Lebewesen ein solches
Geschenk machen wollen. War es denn so verwerflich, dass sie ihm ein wenig
Freude bereiten wollte? Sie war seine Gefährtin und spürte auch in sich das
Bedürfnis, für ihn zu sorgen. Genau wie er für sie sorgen wollte.
Mit geschmeidigen, anmutigen
Bewegungen schwamm Desari von ihm fort, doch Julian ließ sich davon nicht täuschen.
Er hatte sie verletzt. Offenbar musste er in seiner Eigenschaft als Gefährte
noch viel lernen. Er wusste um die Dinge, die nötig waren, um Desaris
Sicherheit zu garantieren, aber selbst diese an sich so einfache Aufgabe war in
Wirklichkeit viel schwieriger als in der Theorie.
»Ich habe dich schon wieder
verletzt, Desari. Oft habe ich andere Männer gesehen, die vor denselben
Problemen standen, habe sie jedoch immer für Narren gehalten, wenn sie sich
weigerten, ihre Gefährtinnen zum Gehorsam zu zwingen. In Wirklichkeit aber bin
ich der Narr gewesen. Ich habe noch so viel zu lernen.« Er meinte jedes Wort
ernst. Jahrhundertelang hatte er sich Kenntnisse angeeignet, wusste, wie man
die Erde beben ließ, das Meer aufpeitschte und Wolken und Blitze erschuf. Es
gelang ihm, selbst die gefährlichsten Gegner zur Strecke zu bringen, und doch
schaffte er es nicht, die Bedürfnisse seiner Gefährtin zu erfüllen, ohne sie
zu verletzen. Es war lächerlich. Desari war das Wichtigste in seinem Leben, der
einzige Grund für seine Existenz, und dennoch gelang es ihm nicht, endlich
herauszufinden, wie er mit ihr umgehen musste.
Julian schwamm ihr nach und
suchte nach den richtigen Worten. Wie sollte es ihm gelingen, das Gleichgewicht
zwischen ihrer Sicherheit und der Lebensfreude zu finden? Selbst eine
Liebesnacht im Freien schien zu gefährlich zu sein. Doch auch jetzt, während
sie gemeinsam durch den See schwammen, sehnte er sich nach ihr. Je mehr Zeit
sie miteinander verbrachten, desto intensiver wurde sein Verlangen.
Desari zog sich ganz in sich
zurück. Sie war nicht wütend auf Julian, konnte ihn sogar ein wenig verstehen.
Sie war eine leidenschaftliche, intelligente Frau. Zwar folgte sie Darius'
Anordnungen, weil sie meist einer Meinung waren, aber keiner der anderen beiden
Männer in ihrer Familie hatte ihr je etwas befehlen können.
Desari wollte mit Julian nicht
die Beziehung wiederholen, die sie mit ihrem Bruder geführt hatte. Sie sehnte
sich nach einer Partnerschaft, in der sie dem Mann ebenbürtig war. Instinktiv
wusste Desari, dass sie sich niemals mit weniger zufrieden geben konnte. Julian
sollte sie respektieren und die Dinge mit ihr besprechen, sodass sie dann
gemeinsam eine Entscheidung treffen konnten. Stattdessen versuchte er, ihr
Befehle zu erteilen, und erwartete von ihr blinden
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