Dunkle Sehnsucht des Verlangens
die Augen der Sterblichen unsichtbar gemacht. Aber Barack starrte ständig
in eine Ecke der Bühne und verriet Julian so Syndils Position. Offenbar hatte
er sie mitgenommen. Julian wusste, dass Barack nicht in der Lage gewesen wäre,
das Konzert fortzusetzen, solange er Syndil nicht ständig im Auge behalten
konnte. Sie saß hinter ihm am rechten Bühnenrand. Syndil sah so traurig aus,
dass Julian den Impuls verspürte, sie zu trösten. Sie wirkte so zerbrechlich
und müde. Offenbar hatte Barack ihr den Befehl erteilt, ihn auf die Bühne zu
begleiten, sodass sie sich ihm nicht hatte widersetzen können. Julian verstand
seinen Beschützerinstinkt. Es war schwierig, zwei Frauen in einer riesigen
Menschenmenge vor Attentätern, übereifrigen Fans und Vampiren zu schützen.
Wir sind keine Kinder, erinnerte Desari ihn, während
sie sich vor ihrem Publikum verbeugte. Und Barack hat sich Syndil gegenüber sehr grausam
verhalten. Er sollte wirklich etwas behutsamer mit ihr umgehen. Schließlich
ist es nicht ihre Schuld, dass der Vampir sie angegriffen hat. Sie lächelte ihren Zuschauern
zu und ließ damit mehr Herzen höher schlagen, als Julian lieb war. Dann deutete
sie mit einer anmutigen Handbewegung auf ihre beiden Musiker, um sie in den
donnernden Applaus des Publikums einzuschließen.
Mehrere Frauen in der ersten
Reihe begannen zu kreischen und winkten den beiden Musikern zu. Eine von ihnen
drängte sich sogar den Sicherheitskräften entgegen, rief nach Barack und warf
ein rotes Seidenhöschen in seine Richtung. Die Unterwäsche landete beinahe auf
Syndils Schoß. Mit spitzen Fingern hob sie das Stoffstück auf, betrachtete es
einen Augenblick lang und warf es dann mit ausdruckslosem Gesicht in Baracks
Richtung. Der Slip landete auf dem Hals seiner Gitarre. Für das Publikum sah es
so aus, als wäre das Höschen geradewegs auf ihn zugeflogen. Begeistert sprangen
sie von den Sitzen und jubelten ihm zu.
Anmutig erhob sich Syndil und
schickte sich an, die Bühne zu verlassen. Doch Barack schnitt ihr sofort den
Weg ab. Für die Zuschauer sah es so aus, als hätte er sich einfach umgedreht,
während er provokativ die Hüften schwang. Wieder kreischten die jungen Frauen
und versuchten, die Bühne zu stürmen. Barack spielte einige Takte seines
Gitarrensolos, und die Melodie klang wie rauschende Meereswellen, die ans Ufer
schlugen. Das Publikum raste, doch die Aufmerksamkeit der Karpatianer galt
allein der Szene, die sich auf der Bühne zwischen Barack und Syndil abspielte.
Zornig blickte Syndil ihn an.
»Du hast kein Recht, mir vorzuschreiben, was ich zu tun und wohin ich zu gehen
habe. Schließlich bist du nicht mein Bruder, wie du vorhin selbst so richtig
bemerkt hast. Darius ist unser Anführer, und er hat mir nicht befohlen, dass
ich auf der Bühne bleiben und dir dabei zusehen muss, wie du mit deinen
weiblichen Fans flirtest.« Geringschätzig deutete sie auf die kreischenden
Mädchen.
»Du solltest mich diesmal nicht
reizen, Syndil«, warnte Barack sie leise, aber bestimmt. »Es ist mir
gleichgültig, was Darius dir befohlen hat. Du wirst hier bleiben, damit ich
über dich wachen kann. Gehorche.«
Syndil bedachte ihn mit einem
kühlen Blick. Es war unmöglich zu ahnen, wie sie sich entscheiden würde.
»Bitte, Syndil«, drängte Desari
leise, »wir stehen hier vor Publikum. Bitte gib Barack keinen Grund, aus der
Haut zu fahren.«
Syndil blinzelte und betrachtete
Barack hochmütig. Dann warf sie sich mit einer Kopfbewegung das lange Haar über
die Schulter und setzte sich mit dem Rücken zu ihm wieder an den Bühnenrand.
Ihre Haltung hatte etwas Königliches an sich.
Barack beendete sein
Gitarrensolo, beobachtete Syndil jedoch aufmerksam. Desari schenkte Julian ein
erleichtertes Lächeln. Dayans Gitarre stimmte in Baracks Melodie ein, dann
erfüllte Desaris Stimme die Halle, und das Publikum brach in ohrenbetäubenden
Jubel aus. Syndil begann, den Rhythmus der Musik mit dem Fuß zu klopfen, ohne
dass es ihr bewusst wurde. Zum ersten Mal seit Savons Überfall reagierte sie
wieder auf die Musik ihrer Familie. Sie war schon immer sehr musikalisch
gewesen und verfügte über die Gabe, jedes Instrument zu spielen, das sie vor
sich hatte. In der Band spielte sie normalerweise Keyboard und Schlagzeug. Die
Fans nahmen an, dass sich Syndil auf einer längeren Ferienreise befand, jedoch
bald zur Gruppe zurückkehren würde.
Innerlich seufzte Desari
erleichtert auf. Zum ersten Mal seit langem gab es einen
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