Dunkle Sehnsucht des Verlangens
kleinen
Hoffnungsschimmer, dass Syndil bald wieder den Weg ins Leben zurückfinden
würde. Vielleicht würde ihre Liebe zur Musik ihr dabei helfen. Während Desari
diese Überlegungen anstellte, fuhr sie mit ihrem faszinierenden Lied fort.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie von Kindesbeinen an mit ihrer Familie
zusammen gewesen war, während Julian sein Leben allein verbracht hatte. Er
hatte die Einsamkeit gewählt, um seinen Zwillingsbruder und sein Volk zu
beschützen.
Jetzt nicht mehr, erinnerte Julian sie
sanft. Denn
jetzt trage ich Verantwortung für dich, also habe ich wohl keine andere Wahl,
als deinem Bruder dabei zu helfen, euch alle zu beschützen. Allerdings toürde
ich dich jetzt am liebsten von der Bühne zerren und mit mir nehmen. Die
Karpaten sind unsere Heimat. Dort gehören wir hin, nicht in eine tobende
Menschenmenge. In Wirklichkeit stellte Julian fest, dass es ihm
gefiel, zu einer Familie zu gehören. Und zu Desari.
Baby. Sie flüsterte das Wort in
seinen Gedanken, und es klang wie eine Liebkosung. Neckend und liebevoll.
Julian schluckte schwer. Nach
außen hin wirkte seine Miene ungerührt und überheblich, während er Desaris
Publikum nicht aus den Augen ließ, doch innerlich war er erfüllt von der Wärme,
die nur seine Gefährtin ihm schenken konnte.
Kapitel 14
Julian ergriff Desaris Hand und
ging mit ihr in den Wald hinaus. Das Konzert hatte einfach nicht enden wollen,
und nach ihrem Auftritt war sie von vielen Menschen bestürmt worden.
Gratulanten, Reporter, Fans - viel zu viele Sterbliche für Julians Geschmack.
Doch nun konnte er endlich die friedlichen Berge und die frische Nachtluft
genießen und den Lärm der Menschenmenge vergessen, in der er eine Bedrohung für
seine Gefährtin sah. Julian war sich nicht ganz sicher, ob er Desaris
Lebensstil auf lange Sicht ertragen würde. Es widerstrebte der Natur eines
karpatianischen Mannes, seine Gefährtin von so vielen Menschen umgeben zu
sehen, doch Desari ging selbstverständlich davon aus, dass er es akzeptieren
würde.
»Das stimmt nicht. Ich nehme
nichts als selbstverständlich hin«, protestierte sie, als sie seine Gedanken
las. »Ich weiß, wie schwierig es für dich ist, und ich bin dankbar, dass du
mich unterstützt.«
Mit spöttisch erhobenen
Augenbrauen betrachtete Julian Desaris ernstes Gesicht. »Tatsächlich? Du bist
dankbar, dass ich dich unterstütze?« In seiner Stimme lag ein amüsierter
Unterton. »Und du siehst dabei so ehrlich und ernsthaft aus mit deinen großen,
viel zu schönen Augen.«
Sie drückte seine Hand. »Ich
meine es auch ganz ernst, Julian. Ich weiß, wie schwer es dir fällt, dich daran
zu gewöhnen, doch dies ist das Leben, das ich führen möchte.«
»In diesem Jahrhundert, cara, danach ist Schluss damit.«
Desari lachte leise. »So, glaubst du?«
»Ich weiß es. Die ständige Sorge
um dich treibt mich sonst noch in den Herzinfarkt. Du bist ständig von Männern
umgeben, deren Gedanken durchaus nicht unschuldig sind. Es bringt mich zur
Verzweiflung. Und von den Vampiren, die dir und der anderen Frau offenbar an
jeder Ecke auflauern, wollen wir gar nicht reden.«
»Syndil«, berichtigte Desari leise. »Ihr Name ist Syndil.«
Julian hörte die sanfte
Zurechtweisung in ihrer Stimme und spürte ihren Kummer. Sie liebte Syndil wie
eine Schwester und vermisste die enge Freundschaft mit ihr. Selbst Julian, der
ihr so viel Freude schenkte, konnte ihr die Traurigkeit über Syndils Schicksal
nicht nehmen. Desari wollte ihre Freundin zurückhaben, glücklich und geheilt.
Doch selbst ihre Stimme konnte gegen die Erinnerung an Savons gewaltsamen
Übergriff nichts ausrichten. Syndil wollte ihre Hilfe einfach nicht annehmen.
Hilflos musste Desari mit ansehen, wie sich ihre Freundin immer mehr von der
Welt zurückzog.
Julian fing einige Eindrücke aus
Desaris Erinnerungen auf. Syndil, die lauthals lachte, während ihre Augen vor
Lebensfreude funkelten. Syndil, die Desari in ihre Arme schloss und ihr
Geheimnisse anvertraute, nachdem sie Darius gerade mit ihren Neckereien zur
Weißglut getrieben hatten. Die Pläne, die sie geschmiedet hatten, um einige
Stunden der Freiheit zu genießen. Verstohlenes Lachen über Baracks Zorn und
Darius' Strafpredigten, wenn sie sie erwischten. Sie hatten viele Jahrhunderte
miteinander verbracht und selbst die intimsten Gedanken, Ängste und Freuden
miteinander geteilt.
Julian neigte den Kopf und rieb
sein Kinn zärtlich an Desaris seidigem Haar. Er liebte sie. Liebe.
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