Dunkle Symphonie der Liebe
Antonietta vor Gericht verantworten. »Du hast Byron Justicano in dein
Bett geholt! Und was hast du da bloß an?« Tasha war nahezu hysterisch. »Diese
Spitze bedeckt kaum deine Haut! Hast du gar keinen Anstand?«
»Tasha.« Antonietta zwang sich,
ruhig zu bleiben, obwohl sie ihre Cousine am liebsten aus dem Zimmer geworfen
hätte. »Du hast mir dieses Nachthemd gekauft. Ich trage es, weil es bequem ist
und weil ich deinen guten Geschmack immer für vorbildlich gehalten habe.«
»Na ja, das stimmt.« Tasha
wirkte ein wenig besänftigt. »Aber ich wollte nicht, dass du es für diesen
schrecklichen Mann trägst. Er ist ein Mitgiftjäger, der es nur auf dein Geld
abgesehen hat. Tut die ganze Zeit so, als wäre er dick befreundet mit Nonno,
und lauert in Wirklichkeit bloß darauf, eine Blinde zu verführen!«
»Musst du immer so
melodramatisch sein, Tasha? Ich bin siebenunddreißig. Glaubst du etwa, ich habe
noch nie mit einem Mann geschlafen? Es mag dich überraschen, aber man muss
nicht sehen können, um Sex zu haben.« Antonietta schlüpfte in ihren
Morgenmantel und setzte ihre dunkle Brille auf. »Und es gefällt mir nicht, dass
du mir erzählst, wie schrecklich meine Narben sind, wenn man sie in
Wirklichkeit kaum sehen kann.« Sie rauschte an ihrer Cousine vorbei ins
Badezimmer. Sie hätte mit Byron schlafen sollen. Es war absolut idiotisch
gewesen, es nicht zu tun. Ihre Erinnerungen waren ziemlich verschwommen. Sie
hatte doch gewollt, dass Byron mit ihr schlief. War sie etwa vorher
eingeschlafen? Was für ein demütigender Gedanke!
Tasha folgte ihr. »Das ist
Jahre her, Toni, das weißt du doch. Und damals waren die Narben noch viel
schlimmer. Und du hast immer so viel Zuwendung von allen bekommen. Das arme,
kleine Waisenkind. Wie im Film. Stell dir bloß vor, was ich aus dieser Rolle
gemacht hätte!«
»Es war keine Rolle, Tasha.«
Obwohl Antonietta entschlossen war, nicht die Geduld zu verlieren, schlich
sich Gereiztheit in ihre Stimme. »Ich habe meinen Vater und meine Mutter
verloren. Es war furchtbar. Eine Tragödie.«
»Ich weiß. Ich bin für
Tragödien geboren.«
»Du hast selbst Tragödien
erlebt.«
»Nicht der Rede wert.« Tasha
rümpfte geringschätzig die Nase. »Und an deine Narben denkt schon seit Jahren
kein Mensch mehr.«
»Ich habe jedes Mal an sie
gedacht, wenn ich in die Öffentlichkeit gegangen bin.«
Tasha musterte einen ihrer
perfekt manikürten Fingernägel. »Wenn du nicht so eitel wärst und ständig an
dein Aussehen denken würdest, hättest du nicht mehr daran gedacht.«
Antonietta biss sich auf die
Lippe, um sich die Bemerkung zu verkneifen, dass Tasha ihr halbes Leben vor dem
Spiegel verbrachte. »Du hättest mir sagen können, dass sie nicht so schlimm
aussehen. Nicht Tag und Nacht im Mittelpunkt zu stehen, ist kein ausreichender
Grund, mich zu verletzen.«
»Ach, um Himmels willen, Toni,
es ist wirklich Jahre her, und du weißt doch, dass es mir leidtut. Und du
weißt, dass ich nichts für mein ständiges Bedürfnis nach Zuwendung kann. Mein
Therapeut sagt, dass es Daddys Schuld ist. Er hat Paul immer vorgezogen.«
»Er hat dich mit Geschenken
überschüttet«, entgegnete Antonietta. »Du warst seine kleine Prinzessin. Er hat
dir jeden Wunsch von den Lippen abgelesen.«
Tasha ließ sich in einen weich
gepolsterten Sessel sinken. »Geschenke sind nie ein Ersatz für elterliche
Zuneigung, und du weißt ganz genau, dass Daddys Welt der Poloplatz war. Ich
konnte es nicht ertragen, mir dort die Schuhe schmutzig zu machen, und das hat
er mir nie verziehen. Und Paul hat er überallhin mitgenommen.« Da jede Mimik in
Antoniettas Nähe verschwendet war, unterließ Tasha es, einen bezaubernden
Schmollmund zu ziehen.
»Dir ist hoffentlich klar, dass
du dir die Wahrheit zurechtbiegst. Der arme Paul konnte nie etwas richtig
machen. Er hat jahrelang versucht, es eurem Vater recht zu machen.« Der Vater
von Tasha und Paul war von Frauen besessen gewesen, nicht vom Polospiel, aber
Antonietta verkniff sich, Tashas Version zu korrigieren.
»Und dann hat Paul es
aufgegeben und angefangen, zu spielen und zu trinken und einfach alles Mögliche
anzustellen, um unsere Familie in Verlegenheit zu bringen«, erwiderte Tasha.
»Er hat jeden Cent, den er geerbt hatte, durchgebracht, erst Mamas Erbe, dann
das von Papa. Und dann hat er all mein Geld verloren. Daddy hatte ihn die ganze
Zeit richtig eingeschätzt, nämlich als schwachen Charakter.«
»Das ist nicht wahr. Du hast
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