Dunkle Symphonie der Liebe
heiratet.«
Ein lautes Krachen, gefolgt von
einem markerschütternden Schrei, unterbrach die beiden Frauen. Es war
unverkennbar ein Kind, das vor Schmerzen schrie. Tasha fuhr sofort herum. »Das
ist die kleine Marguerite!« Noch während sie es rief, lief sie aus dem Zimmer.
Die Schreie, die aus dem
unteren Stockwerk ertönten, waren grauenhaft. Antonietta hatte noch nie etwas
Ähnliches gehört. »Marguerite muss wirklich etwas zugestoßen sein!«
»Sie will nur Aufmerksamkeit
bekommen.« Marita hielt sich die Ohren zu. »Tasha sollte sie dazu bringen, mit
diesem Getöse aufzuhören. Eine Scarletti macht nicht solche Szenen. Das ist
Tashas Einfluss. Wenn Franco sie hört, wird er sofort zu ihr stürzen, statt
sich auf das Geschäft zu konzentrieren!« Aber noch während sie nörgelte, wandte
sie sich hastig zur Tür um.
Antonietta lauschte auf ihren
Tonfall, nicht auf ihre Worte. Marita war offensichtlich entsetzt; ihr Atem kam
in schnellen, kurzen Stößen. Antonietta nahm ihre Hand und eilte mit ihr den
breiten Gang hinunter. Auf der weit geschwungenen Treppe musste sie langsamer
gehen, um auf den Stufen keinen falschen Schritt zu machen. Marita ließ
plötzlich ihre Hand los und lehnte sich an die Wand.
Antonietta konnte hören, wie
Tasha das sechsjährige Mädchen tröstete. »Ist schon gut, ist schon gut. Toni
kommt gleich und sorgt dafür, dass der Doktor kommt. Er bringt dich im
Handumdrehen wieder in Ordnung. Deine madre ist auch da. Alles wird wieder gut.«
Antonietta schätzte nach der
Richtung, aus der die Stimme kam, dass Tasha direkt am Fuß der Treppe neben dem
Kind saß. Vorsichtig trat sie auf die letzte Stufe und blieb stehen, um nicht
über die beiden zu stolpern.
Marita stieß einen gellenden
Schrei aus, der sich mit Marguerites Schmerzensschreien vermischte. Dann war
ein dumpfes Krachen zu hören.
»Was ist? Was ist mit ihr
passiert, Tasha?«
»Kümmere dich nicht um Marita.
Sie ist mal wieder in Ohnmacht gefallen, wie immer in einer Krisensituation.
Hier, Toni.« Tasha nahm Antonietta an der Hand und führte sie zu dem weinenden
Kind. Marguerite beruhigte sich allmählich, und die Schreie verebbten zu
Schluchzern. »Es ist ihr rechtes Bein. Sag mir, was du davon hältst. Halt
still, piccola, es
dauert nur einen Moment, dich zu untersuchen, und Antonietta ist immer ganz
vorsichtig. Deiner Mutter geht es gut. Sie ist nur ohnmächtig geworden. Das
kennst du doch schon.« Tasha drückte immer wieder einen Kuss auf den Lockenkopf
und wischte die Tränen weg, die über das kleine Gesicht liefen. »Pass auf,
Toni, hier liegt überall Schutt herum.«
Antonietta taste behutsam das
dünne Bein ab. Ihr stockte der Atem, als sie den spitzen Knochen fühlte, der
herausragte. »Tasha hat Recht, cara mia, wir müssen sofort den Doktor holen. Du bist sehr
tapfer.« Sie erhob die Stimme und rief nach ihrer Assistentin, die die Schreie
auch gehört hatte und gerade den Flur entlanggelaufen kam. »Justine! Wir
brauchen sofort einen Krankenwagen!« Justine Travis war seit dreizehn Jahren
ihre Assistentin und für Antonietta in dem lebhaften Haushalt unentbehrlich
geworden.
»Bin schon da, Antonietta!«,
antwortete Justine, die ein Stück von ihnen entfernt im Gang stand. »Helena
verständigt gerade den Notarzt.«
»Sie sollen sich beeilen, es
ist dringend!« Antonietta sprach möglichst ruhig, um Marguerite nicht zu
erschrecken. »Sieh zu, ob du Marita wieder zu Bewusstsein bekommst. Und hol
Franco!«
Marita stöhnte. »Bambina! Mia bambina! Wie konnte das passieren?« Sie
wandte das Gesicht ab und ließ sich von der Justine aufhelfen. »All das Blut!
Und der Knochen! Sie ist für ihr Leben verkrüppelt!«
»Marita!«, zischte Tasha. »Das
ist keine Hilfe! Geh zu Vincente. Marguerites Geschrei hat ihm bestimmt Angst
gemacht. Franco kann sich um eure Tochter kümmern.«
»Ja, ja, du hast Recht, Tasha.«
Marita presste eine Hand auf ihren Magen und wandte sich ab. »Grazie. Pass gut auf meine arme Kleine
auf!«
Franco legte seine Arme um
Tasha und seine Tochter. »Helena, bringen Sie Marita nach oben. Das ist alles
zu viel für sie.«
Helena nahm die bedenklich
schwankende Marita bei der Hand und lotste sie die Treppe hinauf.
Tasha wiegte sich hin und her,
um das Kind und sich selbst zu beruhigen. »Tu doch etwas, Toni! Ich kann es
nicht ertragen, sie so schrecklich leiden zu sehen«, flüsterte Tasha bittend.
»Wie konnte das bloß passieren?«
»Schnell, Toni, nimm ihr die
Schmerzen«, drängte
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