Dunkle Symphonie der Liebe
sagte er
einfach.
Und hier in der
undurchdringlichen Dunkelheit wollte sie ihm glauben. »Küss mich, Byron. Küss
mich noch einmal.« Sie legte ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an
ihn, bot sich ihm dar, zeigte ihren Hunger und ihr Verlangen nach ihm. Sie
sollte sich vielleicht nicht wünschen, dass er etwas Besonderes war, dass er
anders als all die anderen war, aber sie brauchte es, von ihm geküsst zu
werden, brauchte ihn, und das, obwohl sie sonst nie jemanden brauchte.
Er murmelte Worte in einer
Sprache, die sie noch nie gehört hatte, und neigte seinen Kopf zu ihrem
hinunter. Seine Lippen strichen federleicht über ihr Gesicht, ihre Wangenknochen
und kitzelten ihre Haut und ihre Sinne. In seinen Händen lag eine ungeheure
Kraft, als er sie noch enger an sich zog und ihren Körper an seine Hüften
presste. Sein Mund glitt spielerisch über ihren, und seine Zähne knabberten
zart und sehr verführerisch an ihrer Unterlippe. Selbst wenn sie es gewollt
hätte, hätte sie ihm nicht widerstehen können.
Antonietta schmiegte sich an
ihn. Wenn er bei ihr war, ihr so nahe war, konnte sie kaum an etwas anderes
denken. Sie verlangte nach ihm wie ein Süchtiger nach einer Droge. »Eine
Besessenheit«, murmelte sie. »Das bist du für mich. Ein Magier, der mich
verzaubert hat.«
»Und ich dachte, es wäre genau
andersherum.« Er raunte die Worte an ihre Lippen.
Bevor sie etwas erwidern
konnte, nahm er ihren Mund in Besitz, und die ganze Welt stand Kopf. Obwohl es
hier unten kein Licht gab, erstrahlten Farben vor ihrem inneren Auge und
zerbarsten wie ein Feuerwerk. Unter ihren Füßen schwankte der Boden so stark,
dass sie sich an Byron festhalten musste. Seine Gegenwart raubte ihr den Atem,
und doch war er für sie die Luft, die sie zum Leben brauchte. Völlig
unvorbereitet darauf, dass ihr Körper mit einem Mal weich und nachgiebig wurde,
klammerte sie sich an ihn. »So etwas ist mir noch nie passiert.«
Er küsste sie wieder, lange und
genießerisch. Hungrig. Als wäre sie die einzige Frau auf der Welt und er
einfach gezwungen, sie zu küssen. Und dann hob er plötzlich abrupt den Kopf.
Ein feuriges Rot glühte in seinen Augen, und einen Moment lang blitzten weiße
Fangzähne in der Finsternis des Geheimgangs auf. »Jemand kommt hierher«, sagte
er. Sein Tonfall war nicht bedrohlich, aber er vermittelte ihr einen flüchtigen
Eindruck der Gewalttätigkeit, die in ihm schlummerte. Auf das wilde Tier, das
vehement seine Freiheit forderte und darum kämpfte, sich zu behaupten. Byron
blieb nach außen hin unverändert ruhig, aber sie fühlte es, als wäre dieses
Tier in ihrem eigenen Inneren.
Sie spürte, wie er all seine
Sinne einsetzte und tief einatmete, als könne er einen Feind wittern. »Niemand
kommt jemals hierher, Byron«, flüsterte sie. »Wir verwahren hier große
Kostbarkeiten, Kunstwerke und Schmuck. In den Kammern muss ständig eine
bestimmte Temperatur eingehalten werden, damit die Sachen keinen Schaden
nehmen. Nicht einmal Familienmitglieder kommen hierher, ohne vorher Nonno oder
mich um Erlaubnis zu fragen.«
Er legte seine Lippen an ihr
Ohr. »Irgendjemand ist im Gang. Er bewegt sich leise und verstohlen und
ziemlich unsicher. Ich glaube nicht, dass der Betreffende um Erlaubnis gebeten
hat.« Er sah einen Lichtschein, der sich in ihre Richtung bewegte. »Er kommt
näher. Ich kann uns seiner Sicht entziehen, aber der Gang ist zu schmal, und er
wird mit dir zusammenstoßen. Wir müssen in die Kammer mit der Chronik der
Scarlettis gehen und die Tür schließen.«
Byron fühlte, wie sie scharf
den Atem einzog und ihre Finger sich unwillkürlich um den Stoff seines Hemds
krampften. Sein Arm schloss sich fester um ihre Schultern. »Bei mir bist du
sicher. Ich weiß, dass der Raum beengt ist, aber ich komme auf jeden Fall
wieder heraus, auch wenn der Mechanismus nicht funktionieren sollte.«
Nicht der kleinste Anflug von
Zweifel lag in seiner Stimme. Antonietta konnte ihm nicht mitteilen, wie es
war, in einer Welt erstickender Dunkelheit zu leben, mit dem Gefühl aufzuwachen,
keine Luft mehr zu bekommen, und mit zugeschnürter Kehle verzweifelt um Atem
zu ringen. Sie nickte wortlos, da sie ihrer Stimme nicht traute. Ihr graute vor
der lähmenden Angst, die sie unweigerlich befiel, wenn sie sich auf unbekanntem
Terrain befand.
Byron zog sie in die Enge der
kleinen Kammer und stieß an die Tür, bis sie zufiel und sie beide einschloss.
Schützend zog er Antonietta an seine Schulter. Wenn die Tür
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