Dunkle Tage
Kapp unterschriebenen Scheck zu akzeptieren.“
„Wie viel wollten Sie denn abheben?“
„Zehn Millionen Mark. Gestern habe ich Kapitän Ehrhardt beauftragt, das Geld mit Waffengewalt herauszuholen.“
„Stellen Sie sich jetzt mit Safeknackern auf eine Stufe?“
„Hören Sie doch mit dieser Heuchelei auf! Sie reden schon wie Ehrhardt! Wir putschen, Mann! Wen interessiert die Legalität, solange wir unserem Vaterland dienen? Tun Sie doch bloß nicht so scheinheilig! Ihr Bruder hat seinen Teil dazu beigetragen, den Krieg zu verlängern, und auf diese Weise glänzende Geschäfte gemacht. Und behaupten Sie jetzt nicht, Sie hätten auch davon nichts gewusst! Ihre Firma verdankt ihren Aufstieg einzig der Tatsache, dass Ihr Herr Bruder ein Kriegsgewinnler war.“
Trotz seines cholerischen Temperaments konnte Hermann eiskalte Ruhe bewahren, wenn die Situation es erforderte. „Streiten wir uns nicht um Wertvorstellungen“, sagte er. „Ideale sind etwas für Träumer, da pflichte ich Ihnen bei. Was zählt, ist politisches Kalkül. Sie haben Ihre Pläne, ich habe meine. Ich will nicht ausschließen, dass wir später einmal auf die eine oder andere Weise zueinander finden. Aber Ihren Putsch halte ich für eine große Dummheit, die nur die Macht der Mehrheitssozialisten stärkt und mir schon jetzt eine Menge Scherereien bereitet.“
„Mit anderen Worten: Ich bin entlassen.“
Hermann zuckte die Achseln, widersprach jedoch nicht.
Major Pabst erhob sich. „Dann ist der Putsch gescheitert.“
„Dieser Putsch ist nicht an Geldmangel gescheitert. Er war von Anfang an zum Zusammenbruch verurteilt, weil er von Abenteurern geführt wurde, die jeglichen Realitätsbezug vermissen lassen.“ Hermann ließ einen Atemzug verstreichen, ehe er in verändertem Tonfall fortfuhr: „Nichts im Leben ist vergebens, Major! Immerhin hat diese Episode Sie eine Menge gelehrt. Und wenn Sie das nächste Mal putschen, werden Sie es weniger halbherzig tun.“
Obwohl er mit leeren Händen gehen musste, lächelte Major Pabst. „Vielleicht habe ich Sie unterschätzt“, sagte er. „Sie haben recht: Womöglich finden wir unter besseren Umständen wieder zusammen.“
22
Immer wieder ließ Hendrik den Schein der Taschenlampe in die Runde wandern und holte die Silhouetten von Toreinfahrten oder Zäunen aus dem Dunkel, während er die Fontane-Promenade entlangging. Zu Anfang hatte er sich noch bei jedem zweiten Schritt umgedreht und befürchtet, plötzlich dem Mann mit dem spitzen Bart gegenüberzustehen, aber seine Vorsicht war überflüssig. Seit zwei Tagen hatte er den Spitzel nicht mehr zu Gesicht bekommen, vielleicht war er von seinem Posten abgezogen worden. Hoffentlich! Trotzdem kam es vor, dass ein unerwartetes Geräusch oder ein Schatten, der sich bewegte, Hendrik erschreckte.
Eine halbe Stunde war er schon zu Fuß unterwegs; er brauchte einfach frische Luft, um nachdenken zu können. Bei Kerzenschein in der Wohnung ließ es sich ohnehin nicht gut arbeiten, und wenn er sich jetzt einen weiteren Tag in Folge um acht Uhr schlafen legen sollte, würde er durchdrehen.
Die Menschen hatten sich auf die Dunkelheit eingestellt. Überall begegnete man Nachtschwärmern mit Taschenlampen und Laternen, manche Leute benutzten sogar Fackeln. Vereinzelt waren auch ein wichtiges Gebäude oder eine Kreuzung durch Scheinwerfer der Putschisten erhellt.
Am Ufer des Kanals ließ Hendrik sich schließlich nieder und überdachte die Ereignisse des heutigen Tages. Sein Bruder hatte ihm am Nachmittag mitgeteilt, dass er Curt Broscheck verhaften würde. Simon Weinstein hatte dessen Schuhe untersucht und dabei nicht nur winzige Blutreste mit der Blutgruppe Max Ungers in den Rillen der Sohlen gefunden, sondern auch Teppichfasern aus dem Arbeitszimmer. War der Fall damit gelöst? Hendrik ließ noch einmal die vergangenen Tage Revue passieren. Nichts schien wirklich zueinander zu passen. Spuren gab es zuhauf, aber sie führten in alle Himmelsrichtungen. Zeit für eine Zwischenbilanz!
Was hatten er und Diana herausgefunden? Hermann, Friedrich, Käte Unger logen. Die Broschecks logen. Major Pabst log. Es gab einen mittlerweile verschwundenen Schuldschein der Broschecks. Max Unger unterstützte die Nationale Vereinigung. Major Pabst unterhielt eine enge Beziehung zu ihm und war der gesuchte Thor. Er hatte Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg umbringen lassen. Dafür, dass dies ihre erste Detektivarbeit war, kein schlechtes Ergebnis.
Was er jetzt brauchte, war ein
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