Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
abzuschalten. Sie schlenderte ins Wohnzimmer, kuschelte sich auf ihr rosa Sofa und zappte wahllos durchs Fernsehprogramm. In Gedanken war sie j e doch bei Kyrian. Ob er jetzt schlief?
Sie hatten in den letzten Tagen so viel miteinander erlebt und trotzdem wusste Jenna so wenig von ihm. Wie war seine Wohnung eingerichtet? Bestimmt nicht so bunt wie ihre.
Bei Jenna standen überall Pflanzen herum. Eigentlich sah es bei ihr eher aus wie im Dschungel. Verschiedene Blumen, Büsche und Bäumchen zierten jeden freien Fleck, dazwischen leuchtete ihr quietschbuntes Mobiliar hindurch. Ben hatte es bei ihr nie lange au s gehalten und schmunzelnd gemeint, er bekäme hier Augenkrebs.
Jenna stand zu ihrem skurrilen Geschmack, den sie sich nun ja e r klären konnte. Früher hatte sie ihren Stil immer darauf geschoben, dass Hexen bekannterweise zuweilen einen recht verschrobenen G e schmack besaßen. Nach außen trat sie zwar immer korrekt und a n gepasst auf, aber in ihren eigenen vier Wänden durfte sie schließlich machen, was sie wollte.
Der Lichtelfenanteil in ihr schien tatsächlich groß zu sein, davon ließe sich ihre Naturverbundenheit ableiten. Und ihr grüner Da u men.
Sie beugte sich zum Glastisch vor, auf dem eine Orchidee stand. Die lila Blüten waren noch geschlossen, doch in wenigen Tagen würde die Pflanze ihre ganze Pracht entfalten. Jenna berührte eine der Luftwurzeln, die aus dem Topf ragte, und stellte sich vor, wie die Orchidee erblühte.
Erschrocken zuckte sie zurück, als sich die Knospen öffneten, weit aufbogen und die Orchidee in ihrer vollen Schönheit erstrahlte.
»Wow!« Hätte sie doch eher gewusst, welche Kräfte in ihr steckten. Aber wer kam schon auf eine so verrückte Idee, eine Pflanze allein durch Willenskraft zum Blühen zu bringen?
Schlagartig wurde ihr bewusst, wie wenig sie auch über sich selbst wusste, und sie freute sich darauf, ihr neues Ich zu entdecken. Ob Kyr ihr dabei helfen würde, obwohl er beschlossen hatte, dass sich ihre Wege trennten?
Wie sehnsuchtsvoll er sie im Tunnel geküsst hatte und später ang e sehen, als sie seine Wunden heilte oder sie vor Noirs Wohnungstür standen … Ach, diese Männer! Frau wurde nie schlau aus ihnen.
Jenna vermisste ihn sehr. Jetzt, wo sie allein war, wollte sie nicht a l lein sein. Doch sie sollte nun schlafen, allein um Dante alle Neuigke i ten mitzuteilen. Da sie wieder in verschiedenen Dimensionen lebten, empfing sie seinen Geist wohl nur in ihren Träumen, so wie früher. Was auch besser war, ansonsten würde sich Jenna ziemlich beobac h tet vorkommen.
Sie schaltete den Fernseher aus und ging ins Schlafzimmer. Dante sollte erfahren, dass Isla ihn geliebt und nicht absichtlich zurückg e lassen hatte. Seufzend warf sie einen kurzen Blick aus dem Fenster. Da ihre Wohnung im obersten Stockwerk der Klinik lag, hatte Jenna einen wunderbaren Blick über die Themse, auf Big Ben, Westminster Abbey und das House of Lords. Sie malte sich aus, wie Kyrian mit ausgebreiteten Schwingen vom Uhrenturm zu ihr herübersegeln würde, direkt in ihr Schlafzimmer, sich auf sie werfen und sie ung e stüm lieben würde, wild und animalisch.
Nein, nicht daran denken, das machte alles nur schwerer. Daher ließ sie die Rollos vor dem Fenster und der Tür, die auf einen schm a len Balkon führte, herunter, kroch in ihr mit fliederfarbenen Seide n laken bezogenes Bett und zog sich die Decke bis zum Kinn hoch.
Leider fiel ihr im schummrigen Halbdunkel ein, wie sich Kyrian in ihr Zimmer im Cottage transloziert hatte, um sie zu beobachten. Und wie sie sich danach geliebt hatten.
In ihre Wohnung konnte er sich nicht blinzeln, denn sie war wie die Klinik mit diversen Schutzmechanismen ausgestattet. Dabei wünschte sie sich, er würde jetzt auftauchen. Nicht unbedingt, um sie ungestüm zu lieben, sondern um sie einfach nur zu halten. Jenna sehnte sich danach, sich in seine Arme zu schmiegen, sehnte sich nach Geborgenheit.
Als es plötzlich an ihrer Balkontür klopfte, richtete sich Jenna im Bett kerzengerade auf. Hatte sie sich verhört oder war ein Vogel g e gen die Scheibe geflogen?
Sie sprang aus dem Bett und bog vorsichtig zwei Lamellen der J a lousie auseinander.
»Kyrian!« Er stand auf ihrem Balkon, die Hände in den Taschen einer schwarzen Jogginghose vergraben, die ihm tief auf den Hüften saß. Selbst im Schlabberlook, barfuß, mit verwuscheltem, feuchten Haar und T-Shirt wirkte dieser Kerl unwiderstehlich sexy. Hoffen t lich träumte sie
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