Dunkle Verlockung (German Edition)
die Halle trat. Er breitete seine Flügel aus, flog unter die Decke und hockte sich auf einen Balken. Dmitri war nicht mehr in der Zufluchtsstätte – er befand sich, wie Galen nun klar wurde, auf dem Weg in Raphaels Territorium, um dort die Stellung zu halten, während der Erzengel hier war. Auch Jason war verschwunden. Er hatte Galen eine Nachricht hinterlassen, in der stand, welchen Kriegern er Jessamys Sicherheit anvertrauen konnte.
Sie war ihm so wichtig, dass Galen nicht einmal Jasons tiefblickenden Beurteilungen Vertrauen geschenkt hätte, wenn er sich nicht selbst schon längst für die Hälfte der Männer und Frauen auf dieser Liste entschieden hätte. Ihnen gestattete er, über Jessamy zu wachen, während er seinen Pflichten nachkam. »Bereit?«
Raphael nickte einmal.
In der Mitte der Halle trafen die beiden Männer mit ihren vollkommen unterschiedlichen Kampfstilen aufeinander. Galen war pure, rohe Gewalt und besaß gerade genug Anmut, um seine Kontrahenten überraschen zu können, während Raphael die reine, tödliche Eleganz war. Da er diesmal nicht gegen einen unerfahrenen Gegner antrat, setzte Galen seine Flügel ein, und Raphael tat es ihm gleich. Es kostete unglaubliche Kraft, einen kurzen, senkrechten Aufstieg zu meistern, ohne dabei verwundbare Körperteile zu exponieren, aber Galen hatte es durch stetiges und unerbittliches Training gelernt. Raphael hingegen schien es einfach instinktiv zu tun.
Galens Respekt für den Erzengel vertiefte sich, als dieser ihn beinahe zu Boden brachte, herumfuhr, um einen Hieb abzufangen und dann seinen Angriff neu kalkulierte. Raphael war kaltblütig genug, um strategisch zu denken, und Krieger genug, um Freude an diesem Tanz zu empfinden. Wenn das der wahre Raphael hinter der Fassade zivilisierter Kultiviertheit war, dachte Galen plötzlich, würde er für diesen Erzengel mehr tun, als nur für ihn zu arbeiten; er würde ihm dienen.
Er rammte Raphael in den Boden, doch als er ihn festhalten wollte, war dieser bereits wieder verschwunden, hatte sich zur Seite gerollt und in die Luft erhoben, um sich nun von hinten auf Galen zu stürzen … doch der wirbelte herum, um den Angriff abzufangen. Zwei Armpaare fuhren in die Höhe, um sich gegenseitig zu blockieren, Ellbogen und Bizepse ineinander verkeilt.
»Patt!«, rief Illium aus.
Erheiterung färbte Raphaels Miene, doch er hielt die anstrengende Pose weiterhin aufrecht. »Ich wäre einverstanden.«
Galen nickte und trat im selben Moment wie der Erzengel zurück. »Schöner Kampf.«
»Du bist besser, als Titus’ Leute mir weismachen wollten.« Ein Schimmer im unerbittlichen Blau. »Er hofft sicher, dass du an seinen Hof zurückkehrst.«
»Ich habe meine Wahl getroffen.« Galen begann mit seinen Dehnübungen, und Raphael tat es ihm gleich. »Ich werde nicht an Titus’ Hof zurückgehen, wenn es hier keinen Platz für mich gibt.«
»Wohin dann?«
Galen durchdachte seine Möglichkeiten. »Es gibt nicht viele, für die ich mein Schwert erheben würde, und noch weniger, die stark genug sind, um in mir keine Bedrohung zu sehen. Elias stünde ganz oben auf der Liste.« Der Erzengel war älter als Raphael, doch er war nicht der Grausamkeit anheimgefallen, welche die Macht in so vielen hervorrief. »Allerdings hat er einen Waffenmeister, dem er vertraut und den er respektiert.«
»Du hättest das Potenzial, über ein Teilgebiet im Territorium eines Erzengels zu herrschen«, sagte Raphael, als er am Ende seiner Übungen die Flügel zusammenlegte. »Warum bittest du den Kader nicht, deinen Status zu ändern?«
Auch Galen hielt inne. »Ich bin ein Waffenmeister.« Das lag ihm im Blut.
Raphael griff nach einem Satz Wurfmesser und reichte ihn Galen, ehe er sich selbst ebenfalls einen nahm. Dann hob er die Brauen, und Galen blickte grinsend nach oben. »Dann wollen wir mal sehen, wie schnell du wirklich bist, Bluebell.«
»Bluebell?« Der Erzengel lachte, während Illium Rache schwor, und dann flog das erste Messer.
Zwanzig Messer später – zehn pro Mann – grinste Illium sie von seinem erhabenen Sitzplatz süffisant an. »Oh, ihr habt mich beide verfehlt.« Gespielte Enttäuschung, ausgeschmückt mit theatralischen Seufzern. »Arme, arme Liebchen.«
»Für den Fall, dass du es vergessen hast: Ich bin ein Erzengel«, ermahnte Raphael den respektlosen Engel in trockenem Tonfall.
Illium grinste reuelos. »Wollt ihr es noch mal probieren? Ich werde mich auch extra langsam bewegen – schließlich seid ihr beide
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