Dunkle Wasser
Rechnungen von Kittys Schreibtisch und legte sie in eine Ablage. »Schau doch, es ist ein wunderbarer Sommertag heute, und du pflegst Kitty schon fast seit einem Monat. Wir müssen uns ernsthaft überlegen, was wir mit Kitty machen sollen. Die Krankenschwester, die dir hilft, kostet ein Vermögen. Und wenn du wieder in der Schule bist, brauche ich eine zweite Krankenschwester. Eine, die rund um die Uhr da ist. Hast du schon Nachricht von ihrer Mutter?«
»Ich habe ihr geschrieben, daß Kitty sehr krank ist. Aber sie hat mir noch nicht geantwortet.«
»Gut… wenn sie antwortet, dann rufe ich sie an und spreche mit ihr. Sie schuldet Kitty sehr viel. Vielleicht können wir dann, bevor die Schule beginnt, eine Dauerlösung finden.« Er seufzte und warf Kitty einen Blick zu. »Zumindest scheint sie gerne fernzusehen.« Noch nie hatte ich ihn so unglücklich gesehen.
War das die Vergeltung – hatte Kitty es wirklich verdient mit dieser schrecklichen, unbekannten Krankheit geschlagen zu sein? Sie hatte es herausgefordert, und Gott hatte schließlich Gerechtigkeit walten lassen. Aus meiner eigenen Erschöpfung heraus sagte ich mir: Ja, Kitty zu ihrer Mutter nach Winnerrow zu bringen, sei eine gute Idee. Ich hätte zudem die Gelegenheit, Fanny zu sehen, Großvater zu besuchen… Tom zu suchen, von Logan ganz zu schweigen. Weiter konnte ich jedoch nicht denken. Wie hätte ich Logan jemals wieder in die Augen sehen können?
Endlich kam ein Brief von Reva Setterton, Kittys Mutter.
»Es ist furchtbar für mich, dorthin zu fahren«, sagte Cal, nachdem er den kurzen Brief überflogen hatte, in welchem keine echte Anteilnahme für ihre kranke Tochter zu lesen war.
»Ich sehe es ihren Augen an, daß Kittys Eltern meinen, ich hätte Kitty wegen ihres Geldes geheiratet, aber wenn wir nicht bei ihnen bleiben, dann glauben sie womöglich, du und ich, wir hätten ein Verhältnis.«
Er sah mich nicht an, als er dies sagte; aber ich hörte ein sehnsüchtiges Verlangen aus seiner Stimme heraus und fühlte mich schuldig. Ich schluckte und bebte und versuchte, nicht daran zu denken, worauf er angespielt hatte.
»Außerdem mußt du einmal ausspannen. Du machst zuviel, um Kitty zu pflegen, trotz der Krankenschwester. Und ich kann es nicht zulassen, daß du die Schule aufgibst, um sie zu pflegen. Das Schlimme ist, es scheint Kitty nichts zu fehlen, sie scheint nur den Wunsch zu haben, zu Hause zu bleiben und fernzusehen.«
»Wach auf und zeig Cal, daß du ihn liebst, bevor es zu spät ist«, schrie ich Kitty an und wollte ihr klarmachen, daß sie Gefahr lief, ihren Mann zu verlieren. Durch ihre Kälte, ihre Grausamkeit und ihre Unfähigkeit zu geben, hatte sie ihn dazu getrieben, daß er sich mir zugewandt hatte.
Als Cal wieder zu Hause war, sagte ich mit leiser, verängstigter Stimme, ich wollte ihn jetzt, wo er niemanden hatte, nicht im Stich lassen. »Kitty würde nicht den ganzen Tag und die ganze Nacht regungslos daliegen, wenn sie nicht wirklich krank wäre.«
»Aber ich habe veranlaßt, daß sie von den besten Medizinern untersucht worden ist. Die haben alle erdenklichen Untersuchungen gemacht und nichts gefunden.«
»Erinnerst du dich, wie die Ärzte dir ihre Diagnose gegeben haben? Sie haben zugegeben, daß ihnen der menschliche Körper manchmal ebenso große Rätsel aufgibt wie uns. Auch wenn der Neurologe gesagt hat, daß sie vollkommen gesund ist, so kann doch niemand in ihren Kopf schauen, nicht wahr?«
»Heaven, Kittys Pflege ruiniert unser beider Leben. Ich kann dich nicht so oft haben, wie ich es brauche. Zuerst dachte ich, du wärst ein Segen.« Er lachte kurz und hart auf. »Wir müssen Kitty nach Winnerrow bringen.«
Hilflos sah ich ihm in die Augen und wußte nicht, was ich dazu sagen sollte.
Kitty lag in ihrem Bett in einem pinkfarbenen Nachthemd und darüber eine farblich passende Bettjacke, die mit kleinen Rüschen besetzt war. Ihre gepflegten roten Haare wurden immer länger und hübscher.
Ihre Muskeln waren nicht mehr so schlaff wie früher, und ihre Augen blickten uns nicht mehr ganz so leer und apathisch entgegen. »Wo wart ihr?« hauchte sie und schien nicht besonders interessiert.
Noch bevor ihr einer von uns antworten konnte, war sie eingeschlafen. Mitleid übermannte mich beim Anblick dieser einst starken, gesunden Frau, die wohl für den Rest ihrer Tage stumpfsinnig bleiben sollte.
Erregung, Erleichterung und eine merkwürdige Vorfreude auf Winnerrow hatten mich gepackt, als hätte es dort
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