Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
jemals etwas anderes als nur Leid für mich gegeben.
    »Cal, manchmal kommt es mir vor, als ginge es ihr besser«, sagte ich, nachdem wir ihr Zimmer verlassen hatten.
    Seine braunen Augen wurden schmal. »Wie kommst du darauf?«
    »Ich weiß es nicht. Es liegt nicht an dem, was sie tut oder nicht tut. Nur wenn ich in ihrem Zimmer bin und ihre Sachen auf dem Frisiertisch abstaube, habe ich das Gefühl, daß sie mich beobachtet. Einmal habe ich aufgeschaut, und ich könnte schwören, daß ich eine Regung in ihren Augen sah und sie nicht wie sonst ins Nichts starrten.«
    Seine Augen blickten gehetzt. »Um so mehr Grund, schnell zu handeln, Heaven. Seitdem ich dich liebe, ist mir klargeworden, daß ich Kitty nie geliebt habe. Ich bin nur einsam gewesen und wollte die Leere in meinem Leben füllen.
    Ich brauche dich; ich liebe dich so sehr, daß ich es kaum ertragen kann.« Seine Lippen berührten meine und versuchten, in mir die gleiche Begierde zu erwecken, die er für mich empfand; seine Hände taten das Ihre, um mich auf den Höhepunkt der Erregung zu bringen, den er so leicht erreichte.
    Aber warum hatte ich dabei jedesmal das Gefühl, daß ich eine Ertrinkende sei? Ich versank, wenn wir uns liebten.
    Er beherrschte mich mit seinem Körper, seinem Willen und seinen Wünschen so sehr, daß ich anfing, ebensoviel Angst vor ihm zu haben wie früher vor Kitty. Nicht daß er mir jemals körperlich etwas antat… Es waren seelische und moralische Verletzungen, die unheilbar waren. Trotzdem liebte ich ihn, und ich hatte den gleichen unersättlichen, brennenden Hunger, zärtlich geliebt zu werden, wie er.
    Ich würde Tom finden, Großvater sehen, Fanny besuchen und Keith und Unsere-Jane ausfindig machen. Ich unterzog mich selbst einer Art Gehirnwäsche, indem ich immer und immer wieder diese Litanei wiederholte. Winnerrow wurde zu meinem Zufluchtsort, wo alle Lösungen parat lagen.
    18. KAPITEL

    DIE SCHATTEN DER VERGANGENHEIT

    Cal und ich richteten Kitty auf dem Rücksitz des Autos eine Bettstatt her, verstauten die Koffer und fuhren an einem sonnigen Augusttag los. Kitty war nun schon zwei Monate krank, und nach ihrem seltsamen Verhalten zu schließen, würde sie auch nicht so bald gesund werden.
    Gestern noch hatten ihr die »Mädels« die Haare frisiert. Ich hatte sie heute morgen mit einem Schwamm gewaschen, ihr einen hübschen, rosa Büstenhalter angezogen und sie in ihren nagelneuen Hosenanzug gekleidet. Ich tat mein Bestes, um sie zu frisieren – und war auch mit dem Ergebnis zufrieden. Dann schminkte ich sie, damit sie hübsch aussah. Zum ersten Mal sagte Kitty während einer Fahrt kein Wort. Sie lag wie tot und erinnerte an die Puppe, die sie so grausam verbrannt hatte.
    Die Dinge, die wir auf dieser Rückreise nach West Virginia hätten besprechen müssen, blieben alle ungesagt. Cal und ich saßen auf der vorderen Sitzbank, mit so viel Raum zwischen uns, daß Kitty noch bequem Platz gehabt hätte, wenn sie nur imstande gewesen wäre zu sitzen. Bald würden Cal und sie bei Kittys Familie wohnen, und er könnte sein Verlangen nach mir nicht mehr stillen. Ich flehte zu Gott, daß die Settertons niemals erführen, was zwischen Cal und mir geschehen war.
    Dieser Gedanke bedrückte mich so, daß mir ganz schlecht wurde. Dachte Cal das gleiche wie ich? Bereute er nun seine Liebeserklärungen an ein dreckiges Hillbilly-Mädchen?
    Dies war unsere Stunde der Wahrheit oder sie würde zumindest bald kommen. Seine Augen waren starr auf die Straße gerichtet, und ich sah mir die Landschaft an. In ein paar Wochen begann die Schule wieder. Bis dahin mußten wir eine Lösung für Kitty gefunden haben.
    Unwillkürlich mußte ich diese Reise im Sommer mit der Winterreise vor zwei Jahren vergleichen. Alles, was mich damals beeindruckt hatte, war nun eine Selbstverständlichkeit.
    Der goldene Torbogen zu McDonald’s entlockte mir keine Bewunderung mehr, und die Hamburger schmeckten auch nicht mehr, da ich mittlerweile in den besten Restaurants von Atlanta gegessen hatte. Was würde Cal jetzt mit mir machen?
    Konnte er seine Liebe und sein Verlangen einfach abdrehen, so wie Kitty einfach ihre alte Persönlichkeit abgeschaltet hatte?
    Ich seufzte und zwang mich, an meine Zukunft zu denken, daß ich bald auf mich selbst gestellt sein würde. Ich hatte mich bereits bei sechs Universitäten beworben. Cal hatte gemeint, daß er mit mir aufs College gehen wollte, um sein Studium abzuschließen, während ich mit meiner akademischen

Weitere Kostenlose Bücher