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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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mich, daß er einem alten Mann, von dem er kaum je Notiz genommen hatte, Geld schickte.
    »Natürlich magst du deinen Vater, du willst es nur nicht wahrhaben. Vielleicht hat er wirklich den falschen Weg eingeschlagen, aber du lebst und bist gesund. Fanny scheint glücklich zu sein, Tom auch. Und wenn du Keith und Unsere-Jane ausfindig gemacht hast, dann wirst du wahrscheinlich überrascht sein, wie gut es ihnen geht. Heaven, du mußt lernen, das Beste und nicht immer das Schlechteste zu erwarten; das ist die einzige Möglichkeit, deinen trüben Gedanken zu entkommen und glücklich zu werden.«
    Mein Herz war beklommen, meine Seele verletzt, als ich ihn ansah. Früher hatte ich auch an diese Philosophie geglaubt…
    Aber jetzt nicht mehr. Bei Kitty und Cal hatte ich versucht, so zu denken; ich hatte mich bemüht, es beiden recht zu machen, aber das Schicksal hatte mir übel mitgespielt. Wie sollte ich mein Vertrauen und meine Gutgläubigkeit zurückgewinnen?
    Wie hätte ich die Uhr zurückdrehen können und Cal diesmal
    »nein« sagen?
    »Heaven… Ich werde nie mehr jemanden so lieben, wie ich dich liebe! Ich weiß, damals waren wir beide jung und unerfahren, und später lernen wir vielleicht jemanden kennen, der uns auch anzieht. Aber in diesem Augenblick lege ich dir mein Herz in die Hand. Du kannst es wegschmeißen, und du kannst drauftreten. Aber bitte tu es nicht.«
    Ich brachte kein Wort heraus; die Schuld, die auf mir lastete, und die Scham, daß ich nicht das Mädchen war, das er sich vorstellte, ließen mich verstummen.
    »Bitte, sieh mich an. Ich brauche dich. Du läßt dich nicht anfassen, nicht in die Arme nehmen. Heaven, wir sind keine Kinder mehr. Wir sind alt genug, wie Erwachsene zu fühlen –
    und die Freuden des Erwachsenseins zu genießen.«
    Wieder ein Mann, der mich ausnutzen wollte!
    »Meine Familie bereitet mir genug Sorgen. Ich weiß gar nicht, wie ich es zustande gebracht habe, überhaupt erwachsen zu werden«, war das einzige, was ich herausbrachte.
    »Mir scheint aber, daß es dir sehr gut gelungen ist, erwachsen zu werden – und Formen anzunehmen.« Sein zögerndes, verwirrtes Lächeln verschwand, und seine Augen blickten mich ernst an. Einen Augenblick lang glaubte ich in seinen stürmischen, blauen Augen ein Meer von Hingabe und Liebe zu sehen. Für mich, für mich! Eine Ewigkeit voller Liebe, Zuneigung und Treue. Ein Stich durchfuhr mich, und sekundenlang fühlte ich so etwas wie Hoffnung – obwohl sie nie und nimmer bestehen konnte.
    »Was ist denn los?« wollte er wissen, da ich nun das Tempo meiner Schritte steigerte. »Habe ich etwas falsch gemacht?
    Schon wieder? Erinnerst du dich an den Tag, an dem wir uns einander versprochen haben?«
    Ja, auch ich erinnerte mich an jenen wunderschönen Tag; wir hatten am Fluß gelegen und uns kindlichen Herzens gegenseitig ewige Liebe geschworen. Heute wußte ich es besser: Nichts dauert ewig.
    Damals war es so leicht gewesen, sich alles zu versprechen, denn wir hatten nicht damit gerechnet, daß wir uns ändern würden. Aber jetzt hatte sich alles geändert. Ich war es nicht wert – falls ich es jemals gewesen war –, ihn zu bekommen.
    Eigenartig, zu dem Gesindel aus den Bergen zu gehören, war nicht so erniedrigend gewesen, wie das zu sein, was ich, seitdem Cal mich berührt hatte, geworden war – ein ganz gewöhnliches Luder, das sich an jeden Mann ranschmiß.
    »Und du hast wohl nie eine Freundin außer mir gehabt?«
    Bitterkeit schwang in meiner Stimme, aber er schien sie zu überhören.
    »Ich bin nur gelegentlich mit jemandem ausgegangen, nichts von Bedeutung.«
    Wir hatten Martins Road erreicht. An der Ecke stand ein monströses Gebäude, dessen grünliche Farbe mich an Kittys Augen erinnerte.
    Es hatte einen großen Hof mit einem tadellos gemähten Rasen. Schwer sich vorzustellen, daß Großvater in einem so großen Haus lebte. Die alten Schaukelstühle auf der Veranda waren alle leer. Warum saß Großvater nicht auf der Veranda und schnitzte?
    »Wenn du willst, warte ich hier draußen solange.«
    Ich blickte unentwegt zu den hohen, schmalen Fenstern hinauf und dachte an all die Treppen, die das Haus wohl haben mußte, und daß Großvater jetzt vielleicht ebenso gebrechlich und schlecht zu Fuß war wie einst Großmutter.
    Die Straße, an der sich das Altenheim befand, säumte links und rechts eine Reihe Pappeln. Die Häuser machten einen gepflegten Eindruck. Jedes Haus hatte einen Vorgarten, und auf jeder Veranda lag die

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