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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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letzter Zeit vergess’
    ich alles…«
    »Großmutter sieht gut aus, Großvater«, gelang es mir zu sagen. Ich kniete mich neben ihn und legte meine Wange auf seine alte, knorrige Hand, als er sie kurz stillhielt. »Behandeln sie euch gut hier?«
    »Es geht«, sagte er ausweichend und sah sich verwirrt und verloren im Zimmer um. »Freu’ mich mächtig, daß du so hübsch bist; wie deine Mutter. Da bist du nun, Heaven, die Tochter von Luke und seinem Engel. Macht mein Herz froh, dein Gesicht zu sehen, als wär’ deine Mutter wieder zum Leben auferstanden.«
    Er hielt inne, sah mich betreten an, dann fuhr er fort: »Weiß schon, du liebst deinen Vater nicht, willst nicht einmal über ihn hören. Ist aber doch dein Vater, dagegen kannst du nichts machen. Mein Luke hat sich ‘ne verrückte, gefährliche Arbeit genommen, sagt man. Weiß selbst nicht, was es ist, weiß nur, daß er damit viel Geld verdient. Luke bezahlt Annie und mir den Aufenthalt hier, er läßt uns nicht verhungern.«
    Wie dankbar er war, für nichts! Dieses häßliche, kleine Zimmer! Dann schämte ich mich. Hier ging es ihm viel besser als allein oben auf der Hütte.
    »Großvater, wo ist Vater?«
    Er blickte mich leer an, dann sah er wieder hinunter auf seine Schnitzerei. »Die Toten sind aus ihren Gräbern auferstanden«, brummelte er. »Als wollte der liebe Gott einen Fehler rückgängig machen, und versucht’s noch mal. Gott schütze sie.«
    Ein eigenartiges Gefühl überkam mich, als ich ihn dies sagen hörte. Ich merkte, ihm war nicht bewußt, daß er diese unheimlichen Worte laut ausgesprochen hatte. Dennoch fühlte ich mich verdammt. Es machte alles noch schlimmer, daß er weiter auf so seltsame Art vor sich hin nuschelte, als spräche er zu seiner Annie. »Schau sie dir doch bitte einmal an, Annie, bitte!«
    »Großvater, hör auf vor dich hinzumurmeln! Sag mir, wo Vater ist! Sag mir, wo ich Keith und Unsere-Jane finden kann!
    Weißt du, Vater… Er muß dir doch gesagt haben, wo sie sind.«
    Leerer Blick ins Nichts. Er hatte nicht die Kraft und die Stimme, diese Frage zu beantworten.
    Es war zwecklos.
    Er hatte alles gesagt, was es zu sagen gab. Ich stand auf und wollte mich auf den Weg machen.
    »Ich komme bald wieder, Großvater«, sagte ich an der Türschwelle. »Paß gut auf dich auf. Hörst du?«
    Dann kehrte ich zu Logan auf die Veranda zurück. Logan war jetzt in Begleitung eines großen, jungen Mannes mit kastanienbraunem Haar, der sich umdrehte, als er das Klappern meiner Absätze hörte. Ich erstarrte… Dann wurden mir die Knie weich.
    Mein Gott!
    Es war Tom.
    Mein Bruder Tom stand vor mir und grinste mich freundlich an – wie es schon immer seine Art gewesen war. Nur daß er in den zwei Jahren und acht Monaten Vater vollkommen ähnlich geworden war!
    Tom ging mit ausgebreiteten Armen und einem Grinsen auf mich zu. »Kann’s nicht glauben!« Ich lief ihm entgegen und seine starken Arme umfaßten mich. Wir umarmten und küßten uns, lachten und weinten und versuchten beide gleichzeitig zu sprechen.
    Bald schritten wir alle drei Arm in Arm, ich in der Mitte, die Main Street hinunter. Wir setzten uns auf eine Parkbank, die zufälligerweise gegenüber der Kirche stand, unweit des Pfarrhauses. Fanny hätte nur herunterzuschauen brauchen, um uns sitzen zu sehen, auch wenn sie zu feig war, sich zu ihrer eigenen Familie zu gesellen.
    »Also, Tom«, platzte ich heraus, »erzähl mir alles, was nicht in deinen Briefen stand.«
    Tom warf Logan einen verstohlenen Blick zu und schien etwas verlegen. Logan sprang sofort auf und meinte, daß er auf dem schnellsten Wege nach Hause müßte. »Tut mir leid, Logan«, entschuldigte sich Tom, »hab’ aber nur ‘n paar Minuten für meine Schwester zur Verfügung, um Jahre nachzuholen. Bis nächste Woche.«
    »Bis morgen in der Kirche«, sagte Logan nachdrücklich zu mir.
    Logan verließ uns. Ich konnte mich nicht an Tom sattsehen.
    Seine strahlenden, grünen Augen blickten fest in meine.
    »Donnerwetter, wenn du man nicht ‘ne Augenweide bist.«
    »Es heißt ›eine Augenweide‹.«
    »Hätt’s wissen müssen. Immer noch die Schulmeisterin!«
    »Du bist nicht dünner geworden, Tom, aber so viel größer.
    Du siehst phantastisch aus, Tom. Ich hätte nie gedacht, daß du Vater so ähnlich werden würdest.«
    Er mußte aus meiner Stimme etwas herausgehört haben, denn auf einmal lächelten seine Augen und sein Mund nicht mehr.
    »Gefällt es dir nicht, wie ich aussehe?«
    »Aber natürlich

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