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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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dachte immer, du warst nett und verständnisvoll! Nur weil du die Narben nicht sehen kannst, heißt das noch lange nicht, daß ich keine habe!« Ich weinte und stammelte nur noch. Vor ein paar Minuten war er so liebevoll gewesen. Unfähig, noch etwas zu sagen und wütend auf mich selbst, weil ich schon wieder die Selbstkontrolle verlor und in kindische Tränen ausbrach, wandte ich mich von ihm ab.
    »Heaven… Geh nicht weg. Es tut mir leid. Verzeih mir, daß ich so grob gewesen bin. Gib mir eine Chance. Wir werden darüber reden, so wie wir es früher getan haben.«
    Um seinetwillen hätte ich jetzt eigentlich fortlaufen müssen, um ihn nie mehr wiederzusehen, aber ich konnte den Jungen nicht loslassen, den ich vom ersten Augenblick an geliebt hatte. Für einen Moment vergaßen wir unsere Meinungsverschiedenheiten und gingen nebeneinander, bis wir vor dem vornehmen Haus des Reverend Wayland Wise standen.
    Während ich das Pfarrhaus anstarrte, hielt er meine Hand fest.
    Ein reines, weißes, frommes und imposantes Haus, umgeben von zwei Hektar wunderschöner Gartenlandschaft voller Blumen und Rasen. Im Vergleich dazu war Kittys Haus eine schäbige Hütte. Ich seufzte wegen Fanny, die nun wohl eine junge Dame von sechzehn Jahren und vier Monaten war, und Tom würde, wie ich, siebzehn sein, Keith bald zwölf und Unsere-Jane elf Jahre alt. Oh, sie alle wiederzusehen und zu wissen, daß sie glücklich und gesund waren!
    Aber zuerst Fanny.
    Jetzt, da ich davor stand, konnte ich nur stumm und starr das vornehmste Haus von ganz Winnerrow betrachten.
    Korinthische Säulen säumten die lange Veranda. Die Treppen bestanden aus kunstvoll gelegten roten Ziegeln. Rote Geranien und rote Petunien wuchsen
    in riesigen Terrakotta-
    Blumentöpfen. Auf der Veranda standen behäbige Rohrsessel mit eigenwilligen Lehnen, die Pfauenschwänzen glichen.
    In den uralten Bäumen zwitscherten die Vögel; ein gelber Kanarienvogel in einem weißen Vogelbauer, der von der Decke der Veranda herabhing, begann zu trällern. Erstaunt blickte ich auf und fragte mich, warum der Vogelkäfig wohl so hoch oben hing. Wahrscheinlich war der Vogel in seinem Bauer so hoch hinauf gehängt worden, um vor den Katzen und dem Luftzug sicher zu sein. Fanny hatte sich immer schon einen Kanarienvogel gewünscht. Jetzt hatte sie einen.
    Außer dem Vogelgezwitscher war kein einziger Laut zu vernehmen.
    Wie still dieses große Haus doch war, aus dem kein Geräusch seiner Bewohner drang.
    Wie kam es nur, daß ein so schönes Haus zugleich so bedrohlich wirken konnte?
    19. KAPITEL

    SCHMERZLICHES WIEDERSEHEN

    Ich drückte mehrmals auf die Klingel. Während ich draußen wartete, schien eine Ewigkeit zu vergehen. Ich wurde ungeduldig. Gelegentlich sah ich mich um, ob Logan noch wartete – wobei ich hoffte, daß er ging – , aber er war immer noch da. An einen Baum gelehnt, lächelte er zu mir herüber.
    Im Haus hörte ich leise Schritte. Ich erstarrte und lauschte angestrengt. Es waren vorsichtige, schleichende Schritte…
    Dann öffnete sich die schwere Eichentür um Haaresbreite.
    Dunkle Augen sahen mich an, sie waren zusammengekniffen und hatten einen mißtrauisch-abweisenden Glanz. Nur Fanny hatte so dunkle, fast schwarze Augen, Fanny – und Vater.
    »Geh weg«, sagte eine Stimme, die unleugbar Fanny gehörte.
    »Ich bin’s, Heaven«, rief ich aufgeregt. »Ich wollte dich sehen und mich erkundigen, wie es dir geht. Du kannst mich nicht einfach wegschicken.«
    »Geh weg«, zischte mich Fanny an. »Ich tu’, was ich will.
    Und ich will dich nicht sehen! Kenn’ dich nicht! Brauch’ dich nicht! Bin jetzt Louisa Wise. Hab’ alles, was ich mir immer gewünscht hab’. Und ich will nicht, daß du mir alles vermasselst.«
    Sie konnte mich immer noch mit ihren gemeinen, selbstsüchtigen Worten und Taten verletzen. Ich hatte immer geglaubt, daß Fanny bei all ihrer Feindseligkeit und ihrer Eifersucht mich dennoch liebte. Sie war vom Leben auf andere Weise verbogen worden als ich.
    »Fanny, ich bin deine Schwester«, beschwor ich sie leise.
    Logan sollte ihre »Begrüßung« nicht hören, da ich mich schämte. »Ich muß mit dir sprechen und dich sehen. Ich möchte wissen, ob du etwas von Keith und Unserer-Jane gehört hast.«
    »Ich weiß nichts von ihnen«, flüsterte Fanny zurück und machte die Tür etwas weiter auf. »Will auch nichts darüber wissen. Geh weg, laß mich in Ruh.«
    Ich sah, daß meine jüngere Schwester zu einem sehr schönen, jungen Mädchen

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