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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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einfach so fortgehen!«
    »Kann ich, verdammt noch mal. Ich kann tun, was ich will –
    und es geschieht Luke nur recht!«
    Fanny hatte alles gehört und kam auf uns zugerannt. »Mutter, nimm mich mit dir, bitte, bitte!«
    Sarah schob Fanny von sich, trat einen Schritt zurück und sah uns ruhig und völlig gleichgültig an. Wer war diese Frau mit dem steinernen Gesicht, die nichts mehr zu kümmern schien?
    Sie war nicht die Mutter, wie ich sie immer gekannt hatte.
    »Gute Nacht«, sagte sie. Sie hatte sich dem Vorhang zugewandt, der ihre Schlafzimmertür war. »Euer Vater kommt schon zurück, wenn ihr ihn braucht. Tut er doch immer, oder?«
    Vielleicht hatte mich der Duft von Obst, der vom Tisch herkam und mich in der Nase kitzelte, aufgeweckt.
    Meine Güte, da lag ja eine Menge Essen auf dem Tisch.
    Woher kam das alles? Gestern abend war unser Küchenschrank noch leer gewesen. Ich nahm einen Apfel und biß hinein; dann eilte ich zu Sarah, um ihr zu sagen, daß Vater in der Nacht heimgekehrt war und uns Essen mitgebracht hatte.
    Ich schob den zerschlissenen Vorhang beiseite und erstarrte.
    Den Apfel noch zwischen den Zähnen, riß ich die Augen weit auf. Sarah war weg. Nur ein zerwühltes Bett, auf dem ein Zettel lag.
    Sarah mußte sich in der Nacht, als wir alle schliefen, auf und davon gemacht haben. Sie hatte einen Zettel hinterlassen, den wir wohl Vater bei seiner Rückkehr überreichen sollten – falls er jemals zurückkehren würde.
    Ich rüttelte Tom wach und zeigte ihm den Zettel. Er setzte sich auf, rieb sich die Augen und las ihn dreimal durch, bevor ihm der Inhalt langsam zu dämmern begann. Er schluckte heftig und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Wir beide waren jetzt vierzehn Jahre alt. Die Geburtstage kamen und gingen, ohne daß es ein Fest gab oder wir sonst irgendwie gefeiert wurden.
    »Was macht ihr schon so früh?« brummelte Fanny.
    Wenn sie mit steifen Knochen in ihrer harten Bettstatt auf dem Boden, ohne ein wenig Polsterung zwischen sich und dem Bretterboden aufwachte, war sie immer mißgelaunt. »Ich riech’ kein Brot, keinen Speck… seh’ kein Schmalz in der Pfanne.«
    »Mutter ist weg«, sagte ich leise.
    »Würd’ Mutter nie tun«, sagte Fanny und setzte sich auf.
    »Sie ist bestimmt draußen aufm Klo.«
    »Mutter hinterläßt keinen Zettel für Vater, wenn sie aufs Klo geht«, überlegte Tom laut. »Und ihre Sachen sind weg – war ja nicht viel.«
    »Aber das Essen, ich seh’ Essen aufm Tisch«, quietschte Fanny, sprang auf und schnappte sich eine Banane. »Wetten, daß Vater zurückgekommen ist und das ganze Zeug gebracht hat… Mutter und er sind wahrscheinlich draußen und streiten.«
    Ich dachte über die Sache nach; vermutlich war Vater in der Nacht in die Hütte geschlichen, hatte das Essen gebracht und war wortlos wieder verschwunden; als Sarah dann das Essen entdeckt hatte, wußte sie, daß Vater sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sie zu begrüßen, und das war wohl der ausschlaggebende Grund gewesen wegzugehen. Wir hatten jetzt genügend Nahrungsmittel, und Vater würde uns nicht verhungern lassen.
    Eigenartig, wie Keith und Unsere-Jane die Abwesenheit Sarahs als selbstverständlich hinnahmen, so als würden sie ihre Liebe und Zuneigung nicht vermissen. Beide kamen auf mich zugerannt und starrten mir entsetzt ins Gesicht. »Hevlee«, weinte Unsere-Jane, »du gehst doch nicht fort, oder?«
    Wie ängstlich ihre großen blaugrünen Augen blickten. Wie hübsch ihr kleines puppenhaftes Gesicht war, als sie mich ansah. Ich streichelte ihr über die rotblonden Haare. »Nein, Kleines, ich bleibe hier. Keith, komm her, ich möchte dich ganz fest umarmen. Heute werden wir gebratene Äpfel und Würstchen zum Frühstück machen und dazu Brot… Schaut her, Vater hat uns Margarine gebracht. Eines Tages werden wir richtige Butter essen, nicht wahr, Tom?«
    »Das hoff ich doch«, sagte er und nahm die Margarine.
    »Aber jetzt bin ich erst mal froh, daß wir was zu essen haben.
    He, glaubst du wirklich, Vater ist wie der Weihnachtsmann mitten in der Nacht gekommen und hat uns das alles gebracht?«
    »Wer sonst?«
    Er stimmte mir zu. So gemein und ekelhaft Vater auch war, er kümmerte sich doch immer, daß wir genug zu essen hatten und nicht froren.
    Unser Leben war jetzt auf das Wesentliche reduziert. Sarah hatte sich davongemacht, Großmutter war tot.
    Großvater tat weiter nichts, als vor sich hinzustarren oder zu schnitzen. Ich ging zu seinem Schaukelstuhl, in dem er die

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