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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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ich Unsere-Jane gebadet und sie ins große Messingbett gelegt hatte, war Großvater sein Schnitzmesser und ein paar Holzstücke zu geben. »Schnitz doch etwas, das Großmutter gefallen hätte, zum Beispiel so ein Reh mit großen traurigen Augen. Großmutter mochte die besonders – weißt du noch?«
    Er blinzelte mit den Augen, blickte zu ihrem leeren Schaukelstuhl hinüber, und zwei große Tränen liefen ihm über die faltigen Wangen. »Für Annie«, flüsterte er, als er sein Lieblingsmesser in die Hand nahm.
    Tom war ganz niedergeschlagen, als er nach der Schule nach Hause kam und sah, daß Mutter immer noch nicht zurückgekehrt war. »Jetzt muß wohl ich der Mann im Haus sein«, sagte er, und der Gedanke, was ihm nun alles bevorstand, schien ihn zu erdrücken. »Wird kein Geld geben, wenn sich keiner drum kümmert. Arbeiten auf dem Hof ist schwer, wenn man nicht die richtige Ausrüstung hat. Die Lebensmittelläden verkaufen nichts auf Kredit, und was wir haben, wird nicht lange reichen. Wir könnten auch alle ein neues Paar Schuhe gebrauchen. Heavenly, du kannst nicht mit Schuhen in die Schule gehen, die vorne aufgeschnitten sind.«
    »Ich kann überhaupt nicht mehr zur Schule gehen, weder mit Schuhen noch ohne«, antwortete ich ihm mit tonloser Stimme und wackelte mit meinen Zehen. Ich hatte die Schuhe vorn aufschneiden müssen, weil sie mittlerweile viel zu klein waren.
    »Du weißt, daß ich Großvater nicht alleine lassen kann, und Unsere-Jane ist noch nicht gesund genug, um wieder in die Schule zu gehen.«
    Tom starrte mich mit schreckensweiten Augen an. Wir hatten uns nach einem Gericht aus Bratkartoffeln, Würstchen, Brot, Schmalz und Äpfel zum Nachtisch, für das Bett fertig gemacht. Alle Willenskraft war aus seinen Augen geschwunden.
    »Was sollen wir bloß tun, Haevenly?«
    »Mach dir keine Sorgen, Tom. Fanny, Keith und Unsere-Jane, ihr geht in die Schule. Ich bleib’ zu Hause und pass’ auf Großvater auf, wasche und koche. Das kann ich ja«, fügte ich trotzig hinzu.
    »Aber du gehst gerne in die Schule und Fanny nicht.«
    »Egal. Fanny hat nicht das nötige Verantwortungsgefühl, um hier zu bleiben und den Haushalt zu führen.«
    »Sie benimmt sich absichtlich so«, meinte Tom mit Tränen in den Augen. »Heavenly, egal, was du sagst, ich geh’ zu Miß Deale und erzähl’ ihr alles. Vielleicht fällt ihr etwas ein, das uns helfen kann.«
    »Nein, das darfst du nicht! Denk doch an unseren Stolz, Tom; er ist das einzige, was uns bleibt. Wir sollten auf das achten, was uns wichtig ist und was wir schätzen können.«
    Stolz zu sein, war für uns beide sehr wichtig. Vielleicht weil man sich aus freien Stücken dazu bekennen konnte und weil unser Stolz uns das Gefühl vermittelte, etwas Besonderes zu sein. Tom und ich, wir beide, wollten der Welt etwas beweisen. Fanny hingegen war anders. Sie hatte bereits gezeigt, daß sie unzuverlässig war.
    7. KAPITEL

    VERLASSEN

    Jeden Tag eilte Tom von der Schule nach Hause, um mir beim Wäschewaschen, beim Fußboden scheuern und bei der Pflege von Unserer-Jane zu helfen. Manchmal mußten wir auch wie die Wilden hinter unseren Schweinen, Ferkeln und Hühnern herjagen, die durch unseren wackligen Zaun entkommen waren. Ein Tier nach dem anderen wurde dann auch entweder von einer Wildkatze oder einem Fuchs geschnappt oder von einem Landstreicher gestohlen.
    »Hat Logan heute wieder nach mir gefragt«, erkundigte ich mich, nachdem ich drei Tage nicht in der Schule gewesen war.
    »Allerdings. Hat mich nach der Schule abgepaßt und wollt’
    wissen, wo du bleibst. Und wie’s dir geht. Warum du nich’
    mehr kommen tust. Hab’ ihm gesagt, Sarah ist noch krank und Unsere-Jane, und daß du nun eben zu Hause bleiben mußt und alle pflegen. Meine Güte, so’n unglückliches Gesicht wie dem seins hab’ ich noch nie gesehen.«
    Es freute mich zu erfahren, daß Logan etwas für mich empfand, aber ich war gleichzeitig empört darüber, daß ich so tief in Problemen steckte: Mein Vater hatte Syphilis; meine Stiefmutter war vor ihrer Verantwortung einfach davongelaufen. Das Leben war wirklich ungerecht! Ich war auf die ganze Welt wütend, besonders auf Vater. Er war es, der alles ausgelöst hatte. Aber was tat ich? Ich schimpfte mit dem Menschen, der mir doch der liebste auf der ganzen Welt war.
    »Hör auf mit deinem kommen tust statt kommen – und deinem ewigen nich’ statt nicht.«
    Tom grinste. »Ich liebe dich, Heavenly. Hab’ ich das richtig ausgesprochen? Ich

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