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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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angefaßt. Ich erstarrte und wagte kaum zu atmen. Mein Herz hämmerte wild, und unwillkürlich riß ich meine Augen weit auf. Berührte er mich tatsächlich?
    »So seidig«, hörte ich ihn murmeln, »wie ihre…«
    Dann lag seine Hand auf meiner entblößten Schulter, die sich irgendwie aus der Decke befreit hatte; die Hand, die mich immer grausam geschlagen hatte, strich nun sanft über meinen Oberarm hinunter und wieder hinauf und blieb schließlich in meiner Nackenbeuge liegen. Eine unendlich lange Zeit fühlte ich nur Angst und wartete darauf, daß etwas Schreckliches passierte.
    »Luke… Was machst du?« fragte Großvater in einem eigenartigen Tonfall.
    Vater zog sofort seine Hand zurück.
    Vater hatte mich nicht geschlagen! Er hatte mir nicht weh getan! Immer wieder mußte ich über die Zärtlichkeit seiner Hand auf meiner Schulter und meinem Arm nachdenken.
    Warum hatte er mich nach all den vielen Jahren auf einmal so liebevoll berührt?
    Bei Morgengrauen weckte mich Großvaters dünne Stimme.
    Er stand am Ofen und hatte gerade Wasser aufgesetzt, um mir noch ein paar Minuten Schlaf zu gönnen. Ich hatte verschlafen, wahrscheinlich weil ich gestern nacht zu lange gegrübelt hatte.
    »Hab’ dich gesehen, Luke! Ich dulde es nicht! Laß das Kind in Ruh. Die ganze Stadt ist voller Frauen, die du haben kannst, wenn du in Ordnung bist, aber nu’ brauchst du weder ‘ne Frau noch ‘n Mädchen.«
    »Sie gehört mir!« tobte Vater. »Und ich bin gesund!« Ich wagte es, aus der Decke hervorzulugen und sah, daß sein Gesicht rot angelaufen war. »Sie ist von meinem Samen… und ich kann mit ihr tun und lassen, wozu ich, verdammt noch mal, Lust hab! Sie ist alt genug. Ihre Mutter war ja kaum älter, als sie mich geheiratet hat.«
    Großvaters Stimme klang so dünn wie der Nordwind. »Ich erinnere mich an die Nacht, an der die Welt für dich für immer dunkel wurde, und sie wird noch düsterer werden, wenn du je dieses Kind berührst. Bring sie weg von hier, damit du nicht in Versuchung gerätst. Sie ist nichts für dich, genausowenig wie die andere.«
    Montagabend verschwand Vater und kam erst am Morgen zurück. Ich wachte wie gerädert auf und fühlte mich bedrückt und benommen, aber ich stand auf und ging meinen täglichen Pflichten nach; ich öffnete die Ofentür, legte Holz nach und setzte Wasser auf. Vater beobachtete mich und schien meine Gemütslage zu prüfen und sich zu überlegen, was ich wohl im Schilde führte. Als ich ihn wieder ansah, hing er immer noch seinen Gedanken nach. Kurz darauf sagte er mit einer eigenartig gepreßten Stimme und mit einer besseren Aussprache als üblich zu mir:
    »Mein liebes, gutes Kind, du wirst heute vor eine Wahl gestellt. Eine Wahl, die nicht jeder von uns bekommt.« Er trat näher, daß ich ihn anschauen mußte.
    »Im Tal gibt es zwei kinderlose Ehepaare, die dich öfter gesehen haben und anscheinend von dir beeindruckt sind. Als ich auf sie zugegangen bin und ihnen gesagt habe, daß du neue Eltern brauchst, wollten beide dich unbedingt haben. Sie werden bald kommen. Ich könnte dich an den Meistbietenden verkaufen, aber das werde ich nicht tun.«
    Ich sah ihn trotzig und herausfordernd an, aber mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können, um ihn von seinem Vorhaben abzuhalten.
    »Ich erlaube dir, deine neuen Eltern selbst auszusuchen.«
    Gleichgültigkeit senkte sich über mich wie ein schwerer Mantel. Immer wieder hallten die Worte Großvaters in meinen Ohren. »Bring sie weg von hier…« Sogar Großvater wollte mich nicht. Es war, wie Fanny es herausgeschrien hatte; überall war es besser als hier.
    Gleichgültig welches Haus!
    Gleichgültig welche Eltern!
    Großvater wollte, daß ich ging. Da saß er nun und schnitzte.
    Es könnten tausend Enkel von ihm verkauft werden, und er würde immer noch dasitzen und schnitzen.
    Die Verzweiflung brannte wie eine Kerze in mir, und die Erinnerungen an Logan waren die todgeweihten Motten, die um das Licht flatterten. Logan hatte mich nicht einmal angesehen. Als ich davonging, hatte er mir nicht einmal nachgeblickt. Auch wenn die Gegenwart seiner Eltern ihn gehemmt hatte, er hätte mir wenigstens ein geheimes Zeichen geben können, aber er hatte nichts dergleichen getan. Warum nicht? Er war doch neulich erst den ganzen Berg hinaufgestiegen. Hatte ihn vielleicht der Anblick unseres Zuhauses so schockiert, daß es seine Gefühle für mich geändert hatte?
    Es ist mir egal, sagte ich mir immer wieder vor. Was ging es mich an? Er

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