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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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sonst ausgeschlossen, wenn man nicht den Reverend oder seine Frau mit Handschlag begrüßt hatte, um sich dann wieder eine Woche lang in ein durch und durch lasterhaftes Leben zu stürzen – bis man nächsten Sonntag wiederkam und einem erneut verziehen wurde. Es war wohl so, je mehr man sündigte, um so mehr liebte Gott einen, vielleicht, weil man ihm so viel Gelegenheit gab zu verzeihen.
    Wenn Gott die Sünder so sehr liebte, dann war er gewiß regelrecht begeistert, wenn Luke Casteel seine Kirche betrat.
    Um diese Freude richtig auszukosten, hätte er Vater auf den Kirchenboden festnageln und ihn nie mehr freigeben sollen.
    Schritt für Schritt folgten wir den Leuten, die sich langsam aus der Kirche bewegten. Keiner sprach mit uns, nur einige Hillbillies nickten uns zu. Jedesmal wenn jemand durch die große Doppeltür hinausging, pfiff ein kalter Wind herein. Alle außer mir waren bestrebt, die Hand des Vertreters Gottes zu berühren – des gutaussehenden, wortgewandten Reverend Wise – oder wenigstens die seiner Frau oder seiner eben adoptierten Tochter.
    Fanny sah in ihrem kostbaren weißen Pelz und ihrem grünen Samtkleid wie eine Prinzessin aus. Um ihre neuen Sachen zu zeigen, tänzelte Fanny beständig hin und her.
    Als ihre eigene Familie auftauchte, wandte sie sich ab, flüsterte Rosalynn etwas ins Ohr und verschwand in der Menge.
    Vater segelte an dem Reverend und seiner Frau vorbei, ohne sie auch nur einmal anzusehen. Er hielt mich noch immer mit eisernem Griff fest. Niemand bemerkte die Casteels, oder was von der Familie übriggeblieben war.
    Großvater ging brav hinter Vater her, seinen grauen und fast kahlen Kopf demütig gebeugt, bis ich mich aus Vaters Griff befreite, zurückrannte und absichtlich die Menschenschlange zum Stehen brachte. Ich blickte Rosalynn Wise durchdringend an.
    »Würden Sie so lieb sein, wenn Sie Fanny das nächste Mal sehen, ihr auszurichten, daß ich nach ihr gefragt habe?«
    »Das werde ich tun.« Ihre Stimme klang kalt und ungerührt.
    Sie hatte wohl gehofft, daß ich sie – so wie Vater – übergehen würde. »Und du sagst deinem Vater, daß er diese Kirche nicht mehr betreten soll. Wir würden es begrüßen, wenn kein einziger Casteel mehr zum Gottesdienst käme.«
    Entsetzt starrte ich die Frau an, deren Mann soeben eine Predigt darüber gehalten hatte, wie sehr Gott die Sünder liebt und sie in seinem Haus willkommen heißt. »Sie haben aber eine Casteel in Ihrem Haus, oder?«
    »Falls du auf unsere Tochter anspielst, so ist ihr Name amtlich geändert worden. Sie heißt jetzt Louisa Wise.«
    »Louisa ist Fannys zweiter Vorname!« rief ich. »Solange ihr Vater noch lebt, können Sie doch nicht einfach ihren Namen ändern.«
    Jemand schubste mich von hinten an.
    Plötzlich stießen mich viele Hände auf die Holztreppe hinaus.
    Erschrocken und wütend drehte ich mich um und wollte etwas über Heuchler hinausschreien, als Logan direkt vor mir stand.
    Wenn er nicht gewesen wäre, dann hätte ich selbst Reverend Wise angeschrien und die ganze Wahrheit hinausgebrüllt. Aber auch Logans Augen blieben starr und blickten wie durch mich hindurch. Er sagte kein Wort. Er lächelte nicht einmal.
    Es war, als wolle er mich nicht sehen! Und mir, die ich dachte, daß mich nach dem Verlust von Sarah, Großmutter, Unserer-Jane, Keith und Tom nichts mehr verletzen könnte, sank das Herz in einen tiefen, schwarzen Brunnen der Hoffnungslosigkeit.
    Was war in der Zwischenzeit passiert, seit er mich zum letzten Mal gesehen hatte?
    Logan, Logan, wollte ich rufen, aber der Stolz erhob wieder sein Haupt, und meine Lippen blieben verschlossen. Ich reckte das Kinn vor und schritt an der etwas abseits stehenden Familie Stonewall vorbei.
    Vater packte mich wieder am Arm und zerrte mich weg.
    In dieser Nacht, während ich auf dem Boden lag, ganz in der Nähe des rauschenden Old Smokey, hörte ich den alten Boden aus Kiefernholz knarzen. Vater war aus dem Bett gestiegen und ging im kleinen Zimmer nebenan auf und ab. Geräuschlos wie seine indianischen Vorfahren schlich er sich an mich heran. Ich hielt die Augen halb geschlossen und sah seine nackten Füße und Beine. Ich tat so, als wälzte ich mich im Schlaf herum und legte mich auf die andere Seite mit dem Rücken zu ihm. Dabei verkroch ich mich tiefer in die verschmutzte Decke.
    Hatte er sich neben den Ofen hingekniet, um meine Haare zu berühren? Ich fühlte, wie etwas ganz zart über meine Haare glitt. Er hatte mich noch nie in seinem Leben

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