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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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und ließ die Tür hinter sich offen. Er murmelte ein paar Worte und ging wieder rasch in die Hütte zurück.
    Kaum war er drinnen, grinste er mich spöttisch an.
    Hatte ich die falsche Wahl getroffen? Mein Magen flatterte vor Angst, und Zweifel zermarterten mich.
    »Ich heiße Calhoun Dennison«, sagte der gutaussehende Mann, trat auf mich zu und nahm meine zitternde Hand in seine, »und das ist meine Frau, Kitty Dennison. Ich danke dir, daß du uns ausgesucht hast, Heaven.«
    Er hatte eine sanfte, leise Stimme, kaum lauter als ein Flüstern. War es die Stimme eines gebildeten Mannes? Es mußte wohl so sein, denn alle ungebildeten Männer, die ich kannte, brüllten, schrien und zeterten.
    »O Cal, ist sie nicht einfach süß?« zirpte Kitty mit einer leicht schrillen Stimme. »Wird doch mächtig Spaß machen, sie einzukleiden und hübsch herzurichten, oder?«
    Ich atmete schwer. Großvater weinte neben mir leise vor sich hin. Großvater, Großvater, du hättest eher etwas sagen sollen.
    Warum zeigst du erst jetzt, daß du mich magst, da es zu spät ist?
    »War’s nicht ganz einfach, Cal?« fragte Kitty lachend und umarmte und küßte ihn dabei, was Vater dazu veranlaßte, sich abzuwenden, so als widerte ihn ihr Getue an, »Dacht’ schon, sie würd’ die in ihrem großen, teuren Wagen und den schweren kostbaren Mänteln wählen, aber ‘s war ja so einfach.«
    Wieder fühlte ich, wie Panik in mir hochstieg.
    »Liebling«, sagte Kitty und hörte mit dem Geschmuse auf,
    »hol schnell deinen Mantel, aber kannst deine anderen Sachen hier lassen. Werd’ dir alles neu kaufen, nagelneu. Will keine schmutzigen Bakterien in meinem sauberen Haus…« Sie sah sich noch einmal in der Hütte um, und diesmal zeigte sie ihren Ekel ganz unverhohlen. »Möcht’ so schnell wie möglich hier raus.«
    Mit bleischweren Beinen nahm ich meinen alten Mantel vom Nagel im Schlafzimmer, zog ihn an und – auch wenn Kitty es mißbilligen würde – hob den Koffer auf, den ich in Großmutters alten Schal gewickelt hatte. Ich ließ die Sachen meiner Mutter doch nicht hier, damit sie verkämen, schon gar nicht die schöne Puppenbraut.
    »Vergiß nicht«, rief mir Kitty hinterher, »bring nur dich und sonst nichts.«
    Ich trat aus dem Zimmer, das wir unser Schlafzimmer nannten, in meinem schäbigen, alten Mantel, das unansehnliche Bündel in meinen Armen und sah Kitty herausfordernd an. Ihre blassen Augen glitzerten eigenartig.
    »Hab’ ich nicht gesagt, du sollst alles hier lassen?« fragte sie mit schriller Stimme. »Kannst das schmutzige Zeug nicht in mein Haus schleppen, geht einfach nicht.«
    »Ich kann hier nicht weggehen, wenn ich nicht das Liebste auf der Welt mitnehmen darf«, sagte ich entschlossen. »Meine Großmutter hat diesen Schal gemacht, und er ist sauber. Ich habe ihn gerade gewaschen.«
    »Mußt ihn eben noch mal waschen«, meinte Kitty etwas beruhigt, aber sie sah immer noch ärgerlich aus.
    Ich blieb neben Großvater stehen und beugte mich zu ihm herab, um ihn auf seine schütteren Haare zu küssen. »Paß auf dich auf, Großvater. Fall nicht hin und brich dir keine Knochen. Ich werde dir oft schreiben, und jemand kann dir immer…« Ich zögerte, diese Fremden sollten nicht erfahren, daß Großvater weder lesen noch schreiben konnte. »Also, ich schreibe dir.«
    »Warst ‘n gutes Mädchen, warst die beste. Könnt’ mir nichts Besseres wünschen.« Er schluchzte, trocknete mit seinem Hemdszipfel die Tränen ab, und fuhr mit gebrochener Stimme fort:
    »Daß du mir ja glücklich wirst, hörst du?«
    »Ja, ich höre, und bitte paß auf dich auf, Großvater.«
    »Sei gut, hörst du mich?«
    »Ja, ich werde gut sein«, versprach ich ihm. Ich hielt meine Tränen zurück. »Auf Wiedersehen, Großvater.«
    »Wiedersehen…«, sagte Großvater, nahm ein neues Holzstück und löste die Rinde ab.
    Wann hatte er mich jemals wirklich angeschaut? Ich fühlte, daß ich weinen mußte, und ich wollte nicht, daß es Vater sah.
    Ich blickte ihm direkt in die Augen, und zum ersten Mal erwiderte er meinen Blick in einem stillen Kampf. Ich hasse dich, Vater. Ich werde dir nicht auf Wiedersehen sagen. Du kannst bleiben, wo du willst. Ich gehe, und es ist mir egal.
    Niemand braucht mich hier. Es hat mich noch nie jemand gebraucht, außer Tom, Keith und Unsere-Jane… nicht Fanny, nicht Großmutter und bestimmt nicht Großvater, der ja seine Schnitzerei hatte.
    »Wer wird denn weinen, Mädchen«, sagte Kitty ermunternd.
    »Hast mich ja schon

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