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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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mir.
    »Ich bin in dieser lausigen Stadt geboren und aufgewachsen«, sagte sie, ihr Tonfall und ihre Aussprache wurden dabei immer schlampiger und dem Hillbilly-Jargon ähnlich. »Könnt ‘s gar nicht erwarten, von hier abzuhauen«, fuhr Kitty fort, »war dann fünf Jahre verheiratet, aber es war schrecklich. Eigentlich wären wir gar nicht hergekommen, aber wir mußten vor dem Gestank im Haus fliehen, weil es frisch gestrichen wird. Von frischer Farbe wird mir schlecht. Bei schlechten Gerüchen muß ich sowieso immer brechen, bei einer Dauerwellentinktur zum Beispiel – und so. Ich lass’ grad in jedem Zimmer alle Wände weißein. Alles ganz weiß, mit weißen Tapeten, ‘s wird schön werden und so sauber. Cal meint, es wird steril aussehen, wie im Krankenhaus, wird’s aber nicht, wirst schon sehn. Wird doch schön, wenn ich alle meine hübschen bunten Sachen wieder eingeräumt hab’, oder Cal?«
    »Sicher.«
    »Was ist sicher?«
    »Sicher wird es schön werden.«
    Sie tätschelte seine Wange und küßte ihn.
    »Da wir nu’ nicht mehr bei deinem Alten sind«, hub Kitty an,
    »kann ich ja mal ganz offen und ehrlich mit dir reden. Ich kannte deine Mutter, ich mein’ deine richtige Mutter – nicht die Sarah. Deine Mutter sah toll aus; nicht nur hübsch, richtig schön war sie – und ich hab’ sie nicht ausstehen können.«
    »Oh«, hauchte ich, mir wurde übel, und ich glaubte, ich müsse in Ohnmacht fallen.
    »Sie dachte wohl, sie hätt’ ‘n prima Fang mit Luke Casteel gemacht. Eigentlich gehörte er mir, als ich noch jung und dumm war. Damals dachte ich, daß ‘n gutes Gesicht und ein schöner, starker Körper allein genügt. Heute hass’ ich ihn…
    Ich hass’ seine Visage!«
    Diese Worte hätten mich aufmuntern sollen, aber sie taten es nicht. Warum wollte Kitty die Tochter eines Mannes, den sie haßte?
    Ich hatte also doch recht gehabt, sie kannte Vater schon lange. Sie sprach kein gepflegtes Amerikanisch, und sie hatte –
    wie alle anderen in unserer Gegend auch – eine furchtbare Aussprache.
    »Ja, ja«, fuhr Kitty in einem eigenartig sanften und schnurrenden Ton fort. »Hab’ deine richtige Mutter immer gesehen, wenn sie nach Winnerrow kam. Alle tollen Burschen in der Stadt waren ganz scharf auf Lukes Engel. Hat niemand kapiert, warum sie so’n Kerl wie Luke geheiratet hat. Liebe macht blind, hab’ ich mir immer gesagt. Manche Frauen sind so.«
    »Sei still, Kitty«, warnte sie Cal.
    Kitty beachtete ihn nicht. »Und ich war scharf auf deinen großen, gutaussehenden Vater. Jedes Mädchen in der Stadt war hinter ihm her und wartete darauf, daß er ihr an die Wäsche ging.«
    »Kitty, jetzt ist’s genug.«
    Seine Warnung hatte nun noch eindringlicher geklungen.
    Kitty warf ihm einen ungehaltenen Blick zu, drehte sich abrupt um und schaltete das Autoradio ein. Sie drehte am Senderknopf herum, bis sie ein Programm mit Country Music gefunden hatte. Maulige Gitarrenklänge hallten durch den Wagen.
    Reden war jetzt unmöglich.
    Einer endlosen Postkarte gleich, glitt Meile für Meile an uns vorüber, während wir durch die Berge hinunter ins Flachland fuhren.
    Bald waren die Berge nur mehr ferne Schattengebilde. Viele Meilen später verblaßte langsam das Nachmittagslicht. Die Sonne ging unter, und Dämmerung brach herein. Was war in den vielen Stunden geschehen? War ich eingeschlafen, ohne es zu bemerken? Ich war noch nie so weit weg von zu Hause gewesen. Wir fuhren an kleinen und großen Farmen vorbei, an winzigen Dörfern, Tankstellen und durch weite Strecken brachliegenden Landes, auf dem stellenweise rote Erde lag.
    Im Zwielicht färbte sich der Himmel rosa, violett und orange, und an den Rändern schien er mit Gold eingefaßt zu sein. Es war der gleiche Himmel, den ich vom Land her kannte, aber ohne die ländliche Umgebung. Es tauchten Dutzende von Tankstellen auf, Schnellimbiß-Restaurants im bunten Neonlicht, die – ohne Erfolg – den Himmelsfarben nacheiferten.
    »Ist das nicht toll«, bemerkte Kitty, während sie aus dem Wagenfenster starrte, »wie der Himmel in den vielen Farben leuchtet? Ich fahr’ gern in der Dämmerung. Man sagt, es sei die gefährlichste Zeit für Autofahrer, ‘s gibt den Leuten ein unwirkliches Gefühl, und sie werden von ihren Träumen gefangengenommen… Mein Traum war’s immer, lauter hübsche Kinder zu haben.«
    »Bitte nicht, Kitty«, flehte ihr Mann.
    Sie sagte nichts mehr und überließ mich wieder meinen Gedanken. Oft schon hatte ich die Dämmerung

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