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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Vichi
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getötet oder durch Mörsergranaten zerfetzt worden waren. Gestorben waren, um Mussolinis kindische Träume von Ruhm und Ehre zu befriedigen. Gefallen waren in der Hoffnung auf ein Italien, dass es so niemals geben würde.
    Mit schwermütigen Gedanken an die Toten trank er seinen Kaffee und ging dann ins Schlafzimmer zurück, um sich anzuziehen. Er öffnete den Schrank. Große Auswahl hatte er nicht mehr. Wenn das noch eine Woche so weiterging, würde ihm kein einziges sauberes Kleidungsstück mehr bleiben.
    Als Casini das Haus verließ, dämmerte es gerade, und auf der Straße bewegten sich bereits dunkle Gestalten. Die kalten Sitze des Fiat 1100 ließen ihn sehnsüchtig an sein warmes Bett zurückdenken. Der Alleenring war beinahe menschenleer. Ein Kiosk hatte schon geöffnet, und er kaufte sich eine Ausgabe von »La Nazione«:
    » SCHÖNFÄRBEREI HAT KEINEN SINN «
    SAGT VIZEBÜRGERMEISTER LAGORIO
    FLORENZ KÄMPFT VERZWEIFELTEN KAMPF
    GEGEN 500.000 TONNEN SCHLAMM
    Unterwegs meldete sich Casini per Funk beim Polizeipräsidium, um Aktuelles über die Beschattung des Metzgers zu erfahren. Immer noch nichts Neues. Warten … warten … warten …
    Auch wenn es noch früh am Morgen war, fuhr er kurz in San Niccolò vorbei, um nach Eleonora Ausschau zu halten. Zahlreiche Menschen hatten schon die Arbeit aufgenommen, aber sie war nicht dabei. Wahrscheinlich schlief sie noch. Er grüßte Don Baldesi von weitem und verschwand ein wenig verlegen. Er überquerte den Arno und erreichte das Stadion am Campo di Marte. Wie immer herrschte dort lebhaftes Treiben. Ein Hubschrauber landete gerade unter höllischem Krach auf dem Fußballfeld, und an den Ständen der Lebensmittelausgabe bildeten sich bereits Schlangen. Aus Amerika war eine große Menge an K-Rationen eingetroffen, wunderbare Pakete mit Lebensmitteln für einen Tag. Die meiste Aufmerksamkeit hatte allerdings die Ankunft eines Lastwagens in der vergangenen Nacht erregt: Ein Italiener, der in Finnland eine Pizzeria besaß, hatte gleich nachdem er von dem Hochwasser erfahren hatte, eine Ladung Gummistiefel gekauft und sie persönlich nach Florenz gebracht.
    Die Rotkreuzschwestern suchten Freiwillige, die Arzneimittel in die verschiedenen Viertel bringen sollten; Casini belud seinen Fiat 1100 mit Tüten und Schachteln. Man drückte ihm eine Liste mit Namen und Anschriften in die Hand, und dann machte er sich auf den Weg ins Zentrum, wo ihn eine Überraschung erwartete. Aus Rom waren Bagger und Bulldozer eingetroffen, und neben den Einheimischen und den Studenten von auswärts waren nun Hundertschaften von Soldaten und Feuerwehrleuten im Einsatz. Endlich hatten Bargellinis Hilfsappelle Gehör gefunden.
    Er fuhr in die Via dei Neri, um bei Rosa vorbeizuschauen, aber sie war weder zu Hause noch auf der Straße zu sehen. Casini schob einen Zettel unter der Tür durch: Wenn du etwas brauchst, such dir ein funktionierendes Telefon, ruf im Präsidium an und lass nach mir suchen. Grüße an Gedeone und Einauge.
    Casini drehte seine Runden, um die Medikamente zu verteilen, und kehrte am Vormittag nach San Niccolò zurück. Sie war wieder nicht da. Er schaute auch in ihrem Keller nach, aber der war immer noch voller Schlamm.
    Der Kommissar holte sich ein Brötchen in der Osteria Fuori Porta und verzehrte es gleich im Stehen am großen Fenster der Bar, während er die Straße beobachtete. Von Eleonora keine Spur. Er kippte hastig ein Glas Wein hinunter, bevor er wieder ging. Den Rest des Tages verbrachte er damit, zu Fuß und mit dem Auto über den Schlamm zu schlittern, und dachte nur an sie.
    Um acht Uhr abends war er wieder in San Niccolò und sah unauffällig zu den Hochwasseropfern hinüber, die rund um das Lagerfeuer saßen und sich unterhielten. Nichts, sie war nicht da. Als wäre sie vom Erdboden verschluckt.
    Zutiefst deprimiert stieg er wieder in sein Auto. Er konnte nicht den ganzen Abend hier auf sie warten, wenn er nicht wusste, ob sie überhaupt kommen würde. Am besten kam er morgen noch einmal zurück.
    Um nicht mehr an sie zu denken, ging er zu Totò essen, fest entschlossen, sich richtig den Bauch vollzuschlagen. Der Koch war in Hochform, bewegte sich geschickt inmitten von Dampfwolken und redete ununterbrochen. Casini nickte und stopfte alles in sich hinein. Spaghetti alla carbonara, Bratwürste, Rotwein. Dieses Mal verzichtete er nicht auf den Grappa, weder auf das erste Gläschen noch auf das zweite oder das dritte.
    Um halb elf verließ er mit schweren Beinen

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