Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
eine dumme Frage war. Der Alte zuckte mit den Schultern.
»Wer in die Pilze geht, muss schweigen können«, sagte der Mann todernst.
»Ich wollte Sie bloß fragen, ob Sie eine Zigarette hätten.«
»Ich rauche nicht. Kann ich jetzt gehen?«
»Sicher, entschuldigen Sie bitte …«, murmelte Casini. Der Alte drehte sich um und ging. Casini sah ihm nach, bis er hinter den Kastanienbäumen verschwand. Einen Moment später wirkte es so, als hätte es ihn nie gegeben.
Der Kommissar kehrte entmutigt auf den Weg zurück. Er bat im Geiste Gott oder den Zufall, ihn etwas finden zu lassen, und gab sogar ein Versprechen ab: Wenn er etwas fand, und sei es auch nur eine Wäscheklammer oder ein Knopf, würde er weniger rauchen. Er vermied die Option, komplett aufhören zu müssen, aus Angst, dass er dann sein Versprechen nicht halten könnte. Aber schon weniger zu rauchen war für ihn eine große Sache: In der ersten Woche würde er nur zehn pro Tag rauchen, in der nächsten dann nur noch fünf … Er vergnügte sich mit diesen Gedankenspielen wie ein kleiner Junge und schämte sich ein wenig dafür.
Casini lief unter den dicken Zweigen einer mächtigen Eiche hindurch – um ihren Stamm zu umfassen, hätte man mindestens drei Mann gebraucht. Darunter hatte jemand aus Fels- und Ziegelsteinen eine winzige Kapelle errichtet, und er fragte sich, warum. Als er hineinsah, entdeckte er eine kleine Madonna mit sieben Schwertern in der Brust, die von Laienhand gemalt worden war. Er lief den Weg weiter nach unten, und kurz hinter einer Kurve tauchte sein Käfer vor ihm auf. Seine Waldwanderung war zu Ende. Der Spaziergang hatte nichts erbracht, also konnte er weiter so viel rauchen, wie er wollte. Er hatte schon den Schlüssel in die Wagentür gesteckt, um wegzufahren, als er es sich plötzlich anders überlegte. Von einer letzten Hoffnung getrieben, lief er zu Fuß nach La Panca und kam sich dabei vor wie ein Schiffbrüchiger, der in der Hoffnung auf irgendein Lebenszeichen zum wiederholten Mal die einsame Insel absuchte, auf die es ihn verschlagen hatte. Im Grunde war es nur eine Ausrede, um noch nicht in sein Büro zurückkehren zu müssen, wo er sich nur wie ein Raubtier in einem Käfig vorkommen würde.
Häufig verließ er den Weg, drang zwischen die Bäume vor und ließ den Blick über das Blättermeer schweifen. Patronenhülsen, nichts als Patronenhülsen. Manchmal ein undeutlicher Schuhabdruck oder verwischte Reifenspuren im Schlamm. Spuren, die ihn jedoch nicht weiterbrachten. Es gab viele Leute, die hier in die Wälder gingen.
Nach einem kurzen Anstieg gelangte er auf eine große Ebene, wo hohe Pinien wuchsen. Er blieb ein paar Minuten stehen und schaute sich um, verzaubert von dem Frieden dort, dann beschloss er, dass es endgültig Zeit war umzukehren. Mit hängenden Schultern ging er zum Käfer zurück, als er auf einmal ein leises Wimmern hörte. Er blieb stehen, um herauszufinden, woher es kam. Anscheinend von dort hinter den Brombeerbüschen am Wegrand. Als er sich über die Büsche beugte, blieb seine Kleidung an den Dornen hängen, aber er konnte ein kleines schwarz-weißes Tier erkennen, das unsicher durch das Farnkraut tapste und wie ein Vögelchen piepste. Im ersten Augenblick dachte er an ein Elsterküken, das aus dem Nest geflogen war, auch wenn jetzt nicht die passende Jahreszeit dafür war … Dann erkannte er, dass es ein winziges Kätzchen war, nass und schlammverschmiert. Es miaute verzweifelt. Vielleicht war es zu früh nach dem letzten Säugen aufgewacht und hatte den sicheren Schlupfwinkel verlassen, ehe seine Mutter zurückgekehrt war. Er betrachtete einen Moment lang die kleine Fellkugel, die jammerte und auf ihren Pfötchen hin und her schwankte, und überlegte, was er tun sollte. Schließlich ging er um den Brombeerbusch herum auf das Tierchen zu, während er sich umsah, ob nicht irgendwo die Katzenmutter zu sehen war. Beinahe wäre er auf die toten Körper von drei weiteren Kätzchen getreten. Sie wiesen keine Verletzungen auf, also waren sie wohl verhungert. Vor noch nicht allzu langer Zeit, höchstens einem Tag.
Er bückte sich gerade nach dem lebenden Kätzchen, als er etwas weiter entfernt ein zusammengefaltetes Stück Papier entdeckte, das unter den Blättern hervorsah. Er rannte darauf zu, als hätte er einen Klumpen Gold gefunden. Es war eine vom Regen durchnässte und schon halb verblasste Telefonrechnung. Doch man konnte, wenn auch mit Mühe, noch die Anschrift lesen : Metzgerei Panerai,
Weitere Kostenlose Bücher