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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Vichi
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ermahnte sich, sich nicht nach ihr umzudrehen, denn es schien ihm nicht der passende Zeitpunkt. Doch der Ruf der Natur war stärker, und schließlich drehte er sich doch für einen kurzen Moment um … und der genügte, um ihn zum Seufzen zu bringen. Er verscheuchte das Bild vor seinen Augen und betrat die Metzgerei. Ein heller, sauberer Laden, in dem ein Kruzifix an der Wand hing und eine Menge schönes, blutiges Fleisch. Der Metzger musste um die vierzig sein. Er war fett, hatte einen kantigen Schädel, helle Augen und das typische Lächeln eines Kaufmanns. Sein Kopf war glänzend und kahl bis auf zwei Haarbüschel an den Schläfen, und der Mann fuhr sich ständig mit der Zunge über die Lippen. Der Kommissar empfand eine instinktive Abneigung gegen diesen Fettwanst, der wie ein Aufschneider wirkte, aber das war noch lange kein Schuldbeweis. Im Gegenteil, er hatte nicht selten höchst sympathische Mörder kennengelernt und Unschuldige, die völlig unerträglich waren.
    Zwei Kunden waren im Laden, eine reiche Signora im Pelzmantel mit zahllosen Armreifen und ein kräftiger Mann mit einer Riesennase und tiefliegenden Augen. Die Frau war ebenso anspruchsvoll wie unentschlossen. Sie brauchte eine Menge Zeit, um die Ware auszuwählen. Der Metzger bewies eine Eselsgeduld und ließ sich keine Gelegenheit für eine zweideutige Bemerkung entgehen, woraufhin die Signora zwar mit gutbürgerlicher Reserviertheit, aber dennoch sichtlich amüsiert lächelte.
    Der Kommissar beobachtete den Metzger und versuchte herauszufinden, wem er ähnlich sah. Schließlich kam er darauf: Der Metzger glich Göring. Wäre er nicht kahl gewesen, hätte er dessen Zwillingsbruder sein können. Casini beobachtete Panerais Bewegungen, den Blick, sein Mienenspiel … Der Mann wirkte wie der perfekte Triebtäter auf ihn, fähig zu vergewaltigen und zu töten. Aber er kannte nur zu gut die Macht der Einbildung. Um sich von jedem Vorurteil zu lösen, versuchte er sich vorzustellen, irgendeine Autoritätsperson hätte ihm gesagt, Panerai sei Wissenschaftler. Und schon sah er ihn genau so. Er stellte sich vor, dass jemand den Mann als geisteskrank beschrieb, und der Metzger verwandelte sich in einen Verrückten, der ungelenke Bewegungen ausführte. Casini fuhr mit dem Gedankenspiel fort und stellte sich den Metzger als Mäzen, Wucherer, Buchhalter vor und als Dirigenten … Ein sinnloser Zeitvertreib, den er ewig hätte fortsetzen können.
    Die Frau im Pelz gab schließlich ihre Unentschlossenheit auf und verkündete, was sie wollte. Daraufhin warf der Metzger ein großes Stück Fleisch auf das Brett, als wäre es ein eben getöteter Feind, und bearbeitete es mit dem Messer.
    »Liebe, die den Geliebten zwingt zu lieben …«, deklamierte er Dante und spitzte die Lippen. Die Signora zitterte ergriffen. Ohne mit der Wimper zu zucken, bezahlte sie eine stolze Summe und ging, wobei sie fast angewidert das Päckchen mit dem Fleisch trug.
    »Was darf’s denn für Sie sein?«, fragte der Metzger und sah Casini an.
    »War der Herr nicht vor mir?«, fragte der Kommissar und deutete auf den Kunden neben ihm.
    »Bitte sehr, ich habe es nicht eilig«, sagte der Mann.
    »Sehr freundlich. Ich möchte ein schönes Steak für den Rost«, meinte Casini zu Panerai und betrachtete die in der Kühltheke ausgebreiteten Fleischstücke. Er dachte schon daran, wie er das Steak zu Totò bringen und es dort am Abend essen würde.
    »Das da ist Chianina-Rind«, erklärte der Metzger und legte einen wunderbaren Fleischbrocken auf das Hackbrett. Er nahm zwei große Messer, rieb sie mit geübten Gesten aneinander und versenkte dann die Klinge des einen im Fleisch.
    »Es ist Pilzzeit«, warf der Kommissar ein, wie man sich unterhält, wenn man im Laden warten muss. Er wollte herausfinden, ob der Metzger noch aus anderen Gründen in die Hügel ging, außer um eine Leiche zu verscharren.
    »Für den, der sie zu finden weiß«, sagte der Metzger und nahm das Beil, um den Knochen durchzuhacken. Im gleichen Moment tauchte aus dem rückwärtigen Teil des Ladens ein beinahe durchsichtiges altes Männchen auf, das mit einem Bein schon im Grab zu stehen schien. Es wirkte unterwürfig und so sanft wie ein Großvater aus dem Märchen, was nicht zu seinem blutbefleckten Kittel passen wollte. Der Metzger warf ihm einen harten Blick zu.
    »Bist du schon fertig?«
    »Ja«, flüsterte der Alte verschüchtert.
    »Dann steh hier nicht herum und leg die Hände in den Schoß, kümmere dich lieber um das

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