Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
Livio Panerai, Viale dei Mille 11/r Florenz. Die Rechnung war sieben Tage zuvor bezahlt worden. Er biss sich auf die Lippen. Der Viale dei Mille war in der Nähe der Gegend, in der man den Jungen zum letzten Mal gesehen hatte. Nur ein Zufall? Er musste die Ruhe bewahren, dieses Stückchen Papier bedeutete noch gar nichts. Jemand hatte eine Rechnung im Wald verloren, es hatte keinen Sinn, ihr zu viel Bedeutung beizumessen … Doch er hatte wieder Hoffnung geschöpft.
Casini steckte die Rechnung ein und kehrte zu dem Kätzchen zurück, das immer noch jammerte. Als er es aufhob, beruhigte es sich sofort und schlief beinahe in seiner wärmenden Hand ein.
Dann ging er zu seinem Wagen und trocknete dort das Kätzchen mit einem Taschentuch ab. Er faltete die Zeitung zu einer Art Korb zusammen und legte es dort hinein. Er hatte den Motor noch nicht gestartet, als es wieder zu maunzen anfing, wenn auch nicht mehr so verzweifelt wie vorher. Das Kätzchen schien deutlich ruhiger geworden zu sein. Dafür war nun Casini in Aufregung. Er wendete und fuhr nach La Panca zurück. Dabei schaute er immer wieder zur Seite, aus Sorge, das Kätzchen könne vom Sitz fallen.
»Krümelchen!« Rosa stieß einen spitzen Schrei aus, als sie das Kätzchen sah.
»Du hast schon einen Namen gefunden?«, fragte Casini und reichte ihr das Tierchen.
»Siehst du denn nicht, dass die Kleine ein Gesicht hat wie ein Krümelchen?«
»Vielleicht ist es ja ein Kater?«
»Von Katzen verstehst du noch weniger als von Frauen … Du bist ein kleines Mädchen, stimmt’s, Krümelchen?«, meinte Rosa, hielt das Kätzchen in den Händen und strich mit ihrer Nase über das Köpfchen.
»Frauen verstehen nichts von Männern, so ist das«, brummte Casini und folgte Rosa in die Küche.
»Die Ärmste, sie hat ein entzündetes Auge.«
»Ist bestimmt von einem Dorn. Ich habe sie mitten im Brombeergestrüpp gefunden.«
»Gedeone, schau mal, wer hier ist«, sagte Rosa und setzte das Kätzchen auf dem Boden vor dem fetten weißen Kater ab. Gedeone beschnupperte den Eindringling verblüfft einige Sekunden lang. Er lief um das kleine Ding herum, das sich kaum auf den Beinen halten konnte, und versetzte ihm einen Pfotenhieb, dass es über den Boden rollte.
»Was machst du denn da, Gedeone! Böser Kater!«, schrie Rosa und nahm das Kätzchen hoch.
»Er hat begriffen, dass er jetzt nicht mehr das Lieblingsschmusetier im Haus sein wird.«
»Armes Krümelchen, wer weiß, wie lange es nichts mehr gefressen hat … Ich muss sofort den Tierarzt anrufen! Wenn sie so klein sind, kommen sie oft nicht durch«, sagte Rosa und ging Richtung Flur.
»Ich lasse sie in guten Händen«, meinte der Kommissar und folgte ihr. Rosa fand die Nummer im Telefonverzeichnis. Bevor der Tierarzt sich meldete, verabschiedete sich Casini, indem er ihr einen Luftkuss zuwarf, und verließ die Wohnung.
Während er die Treppe hinunterging, holte er die Telefonrechnung aus der Tasche, die er im Wald gefunden hatte. Wäre dieses kläglich miauende Kätzchen nicht gewesen, hätte er den Zettel nie entdeckt, und er hoffte, dass dies ein Wink des Schicksals war. Wieder las er den Namen des Teilnehmers: Metzgerei Panerai. Anrufe für 3.235 Lire. Ihm lief ein Schauer über den Rücken, als er die Rechnung in die Tasche zurücksteckte, obwohl der Metzger sie auch bei der Jagd oder beim Pilzesammeln verloren haben konnte. Das war kein konkreter Beweis, aber in dieser absoluten Dunkelheit zumindest ein Hoffnungsschimmer.
Casini kehrte ins Präsidium zurück in dem Wissen, dass er mit beinahe leeren Händen kam, aber trotzdem gelang es ihm nicht, seine Aufregung zu dämpfen. Er sagte Mugnai, er solle sofort Piras für ihn suchen, und ging hinauf in sein Büro. Dort ließ er sich auf seinen Stuhl fallen, zündete sich eine Zigarette an und versuchte, sich auf diese Weise zu beruhigen. Er starrte die Telefonrechnung an, als sähe er sie zum ersten Mal. Sie war vor sieben Tagen bezahlt worden, aber wer weiß, wann sie jemand verloren hatte. Das ließ sich nur schwer herausfinden. Und dann war es auch nicht gesagt, dass Livio Panerai sie persönlich bezahlt hatte. Vielleicht war ja sein Schwiegervater aufs Postamt gegangen, ein Freund oder ein Lehrling. Und wenn wirklich er selbst das Kind verscharrt hatte? Vielleicht hatte er die Rechnung verloren, als er ein Taschentuch herausholte, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, und der Wind hatte sie fortgeweht …
Er hörte, wie ein Auto mit quietschenden
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