Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
mit klopfendem Herzen stehen. Jetzt würde er sich gleich umdrehen, um sie noch einmal zu betrachten. Ganz ruhig. Das war nur eine schöne junge Frau mit einem Pagenkopf, und er war ein Mann in reifem Alter mit einiger Erfahrung … Doch sein Herz wollte nichts davon wissen, sich zu beruhigen. Das passierte ihm immer, wenn er eine Frau sah, die ihm ernsthaft gefiel. Während er langsam zu dem Laden zurückging, erinnerte er sich an Amelias Prophezeiung. Casini hätte eine Hand dafür geopfert, damit die Dekorateurin die dunkelhaarige Signorina aus den Tarotkarten wäre. Er nahm all seinen Mut zusammen, stellte sich vor das Schaufenster und sah die junge Frau ernst an. Sie streifte ihn nur mit einem Seitenblick und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Dabei bewegte sie sich mit angeborener Eleganz. Sie trug ein enganliegendes Minikleid und hatte Nadeln zwischen den Lippen, um damit die Kleider abzustecken. Wunderschön, zierlich, dunkel, aber auch strahlend … Casini erkannte, dass er im Begriff war, sich zu verlieben wie ein Pennäler, der sich in die Schulschönheit verknallt. Doch er konnte seine Augen nicht von ihr abwenden. Er folgte mit dem Blick den eleganten Bewegungen ihrer Arme, den schmalen Füßen, die zärtlich über den Trittschemel zu gleiten schienen, den wallenden Haaren …
Die junge Frau zog das letzte Kleid zurecht, dann wandte sie sich dem seltsamen Herrn zu, der sie die ganze Zeit über beobachtete, ohne sich vom Regen stören zu lassen. Casini nahm wieder all seinen Mut zusammen und nickte ihr zu, als wolle er ihr zu verstehen geben, dass das Schaufenster perfekt war. Die dunkelhaarige Schönheit stieg von ihrem Schemel und schlüpfte in ihre Schuhe. Sie kam aus dem Laden heraus und stellte sich mit unter seinen Regenschirm, um das Ergebnis der eigenen Arbeit zu begutachten. Der Kommissar wagte es nicht, ihr den Kopf zuzudrehen, aber er beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Er spürte, wie sein Ellbogen ihren streifte, und sog verstohlen den Duft ein, der von ihr ausging. Jetzt hätte er gern etwas gesagt, doch er hatte Angst, dass seine Stimme zittern würde. Konnte man in seinem Alter noch so unbeholfen sein? Ein Satz genügte, nur um das Eis zu brechen. Zwei lächerliche kleine Worte oder vielleicht auch nur ein einziges … aber welches? Er war kurz davor, den Mund zu öffnen, da drehte sich die junge Frau wieder um und ging wortlos in den Laden zurück. Sie stellte sich hinter die Verkaufstheke und blätterte ohne besonderes Interesse in einer Illustrierten. Casini beobachtete sie weiter durch das Schaufenster. Das Herz in seiner Brust klopfte wie wild. Gleich würde er hineingehen. Es war nur ein hübsches Mädchen, wiederholte er sich. Oder sollte er besser Frau sagen? Wie alt mochte sie sein? Sechsundzwanzig? Siebenundzwanzig? Hätten Amelias Karten nicht von der Ankunft einer schönen, dunkelhaarigen Signorina gesprochen, wäre er jetzt gegangen. Da war er sich fast sicher. Der Spruch der Tarotkarten lenkte seinen Willen, als ob die Vergangenheit die Zukunft beeinflussen könnte. Er atmete einmal tief durch und betrat den Laden, seinen Schirm ließ er draußen vor der Tür stehen.
»Buonasera«, sagte die junge Frau und blickte von ihrer Zeitschrift auf.
»Falls Sie mich nicht wiedererkennen, ich bin Ihr Regenschirm.« Casini kam es so vor, als hätte er auch seine Verlegenheit draußen gelassen.
»Entschuldigen Sie, ich habe mich gar nicht bedankt.« Was für eine schöne Stimme sie hatte.
» Ich muss Ihnen danken.«
»Wofür denn?«, fragte sie ehrlich verblüfft.
»Für ein so hübsches Schaufenster …« Verwundert bemerkte er, dass er richtig verwegen wurde. Hier hatte wohl wirklich das Schicksal seine Hand im Spiel. Das Mädchen sah ihn mit einem leicht geheimnisvollen Lächeln an, wie einige Engel auf Gemälden von Correggio. Aus der Nähe betrachtet war sie noch attraktiver … Aber warum sagte sie denn nichts? Nach einigen Sekunden des Schweigens, die sich endlos zogen, spürte Casini, wie die Unsicherheit wieder von ihm Besitz ergriff.
»Ich suche ein Hemd … Welche Farbe, weiß ich noch nicht«, stammelte er.
»Es tut mir leid, aber wir führen nur Damenbekleidung«, sagte sie sichtlich amüsiert über den armen, unbeholfenen Mann vor ihr.
»Aber sicher, ich meinte eine Damenbluse«, versuchte Casini, seinen Fehler wiedergutzumachen.
»Was hätten Sie denn gern? Etwas Elegantes? Oder lieber etwas Schlichtes? Aus Baumwolle oder Seide?«
»Können Sie mich
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