Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
explodieren, aus den Wasserhähnen kommt kein Wasser mehr …
Wir sehen eine Welt, die so langsam
über uns zusammenfällt …
Doch was können wir dafür?
Um vier Uhr morgens sind die Gebiete am Flusslauf vor der Stadt schon überflutet. Carabinieri und Soldaten bringen die Leute mit Ruderbooten und Schlauchbooten in Sicherheit. Der Arno durchbricht in Rovezzano die Dämme und überschwemmt San Salvi und Varlungo, die Viertel Gavinana und Ricorboli. In Gavinana steht das Wasser fünfzig Zentimeter hoch. Eine halbe Stunde später nimmt sich der Fluss eine weitere Uferstraße, den Lungarno Cellini, die Via dei Renai und überschwemmt das Viertel San Niccolò. Bürgermeister Bargellini schläft in seiner Wohnung in der Via delle Pinzochere. Er wird durch einen Anruf des Polizeipräsidenten geweckt, zieht sich in aller Eile an und verlässt das Haus. Ein Wagen bringt ihn zum Ponte Vecchio, dort trifft er auf den Polizeipräsidenten, den Präfekten und einige Reporter. Das heftige Rauschen des tosenden Flusses erinnert an ein Meer bei Windstärke neun, und das Eisengeländer um die Statue von Benvenuto Cellini vibriert wie eine Kontrabassseite. Man hört, wie Baumstämme auf dem Wasser mit dumpfem Knall gegen die Brückenpfeiler prallen. In den schlammigen Fluten treiben tote Kühe, Autos, zertrümmerte Schränke und sogar ein großer Bus, der schwankend dahingleitet wie ein toter Wal. Die Männer dort auf der Brücke wissen noch nicht, dass einige Gebiete vor und hinter Florenz schon weitgehend überschwemmt sind: San Colombano, Badia a Settimo, Vingone, Rimaggio, Guardiana. Bargellini möchte nach Hause zurück, um seine Familie zu warnen, aber der reißende Schlammfluss hat die Straßen unpassierbar gemacht. Er schiebt sich an dem gerade vor einem Monat eingeweihten Redaktionsgebäude der Zeitung »La Nazione« vorbei, um dann in Richtung Palazzo Vecchio zu strömen.
Wie oft haben sie uns traurig lächelnd gesagt,
die Hoffnungen der Jungen sind Schall und Rauch.
Sie sind müde zu kämpfen und glauben an nichts mehr,
gerade jetzt, da das Ziel doch so nah ist.
Auf Anordnung des Präfekten alarmieren die Nachtwachen die Juweliere des Ponte Vecchio, und diese räumen eilig so viel wie möglich aus ihren Läden. Um fünf Uhr morgens spucken die Abwasserkanäle in San Frediano Schlamm und Schmutz nach oben. Im Viertel Ognissanti läuft ein fauliger Bach durch die Straßen, und kurz darauf werden die Barockkirche und der nahe gelegene Stützpunkt der Carabinieri überflutet. Die ganze Nacht über geht Dante Nocentini, der Leiter des Büros der italienischen Presseagentur ANSA in Florenz, die Uferstraßen des Arno ab, um den Pegelstand des Flusses im Auge zu behalten. Er beschließt, sich auf der Piazza Cavalleggeri vor dem missgestalteten Gebäude der Nationalbibliothek zu positionieren, das nachts einen düsteren und zugleich lächerlichen Anblick bietet. Plötzlich tritt der Arno über die Brüstungsmauern, und Schlamm ergießt sich über das Straßenpflaster. Nocentini läuft eilig Richtung Piazza Santa Croce, verfolgt von dem Wasser, das unaufhaltsam in Richtung Corso de’ Tintori vorwärtsdrängt. Nocentini rennt bis zur Via dei Pucci, zum Büro der ANSA , läuft eilig die Stufen hinauf und meldet dringend nach Rom: Der Arno überflutet Florenz.
Das wird eine gute Gesellschaft sein,
die sich auf die Freiheit gründet.
Um sechs Uhr hat sich das Viertel Ognissanti in einen reißenden Strom verwandelt, und auf der Piazza Gaviniana steht das Wasser schon drei Meter hoch. Der Arno nimmt seinen triumphalen Einzug im Viertel San Jacopo und in der Via Maggio, und um halb sieben ergießt sich der Strom von Bellariva durch die Via Aretina Richtung Stadtzentrum. Kurz darauf bricht die Brüstung an der Piazza Cavalleggeri zusammen, der wütende Arno kommt über die Nationalbibliothek und überschwemmt das Viertel Santa Croce.
Ganz egal, ob jemand in seinem Leben
ein Opfer der Gespenster der Vergangenheit wird.
Geld und Macht sind tödliche Fallen,
die lange, zu lange Zeit funktioniert haben.
In ganz Florenz und den benachbarten Orten sind Strom- und Gasversorgung sowie das Telefonnetz zusammengebrochen. Um sieben Uhr morgens breitet sich die Schlammflut auf der Piazza Alberti, San Frediano, Santo Spirito, auf der Piazza dei Giudici, auf dem Lungarno degli Archibusteri und in Por Santa Maria aus. Sie fließt beeindruckend schnell, reißt Autos mit sich, walzt Haustüren und Rollgitter nieder und ergießt in die Straßen,
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