Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
überhaupt nicht leid, ich lachte ihn eher noch heimlich aus. Plötzlich sah der Mann nach unten, öffnete eine Schublade, zog eine Pistole heraus und steckte sie sich in den Mund. Mir gefror das Blut in den Adern. Ich wartete darauf, gleich den Knall zu hören und zu sehen, wie sein Gehirn an die Wand spritzte. Er schloss die Augen, legte die Lippen um den Lauf … Da riss ich die Tür auf, stürzte hinein und schrie, dass er aufhören solle. Er nahm die Pistole aus dem Mund und sah mich an wie ein Gespenst. Er fragte mich mit bebender Stimme, wer zum Teufel ich sei, und richtete zitternd den Lauf auf mich. Obwohl ich mir vor Angst beinahe in die Hose machte, blieb ich nach außen hin ganz ruhig. Ich setzte mich vor den Schreibtisch und schlug die Beine übereinander. Dann trommelte ich mit den Fingern auf die Tischplatte, erklärte, ich sei sein Schutzengel, und fragte ihn, warum er sich umbringen wolle. Da ließ er schließlich die Pistole sinken und legte sie auf den Tisch. ›Meine Frau hat einen anderen‹, flüsterte er. ›Und da muss man sich gleich umbringen?‹, fragte ich ihn heiter. Sein Gesicht verzog sich zu einem schauderhaften Grinsen. ›Sie treibt es mit einem Arbeiter aus meiner Fabrik‹, sagte er. Ihn quälte die Angst, sich lächerlich zu machen, die Demütigung, mit einem Mann betrogen zu werden, der gesellschaftlich unter ihm stand. ›Haben Sie nicht etwas Stärkeres zu trinken?‹, fragte ich ihn. Er erhob sich schwankend und verließ den Raum. Ich nutzte die Gelegenheit und steckte die Pistole ein. Da kam er mit einer Flasche und zwei Schnapsgläsern zurück, füllte diese bis zum Rand und begann von seiner Frau zu erzählen. Er hätte sie aus dem Dreck geholt, sagte er, hätte aus ihr eine Dame gemacht, sie mit Diamanten und Pelzen überschüttet, aber sie wäre immer ein Bauerntrampel geblieben, eine Nutte, die nur hinter den Schwänzen des gemeinen Volks her war, eine Kommunistin … Also, um es kurz zu machen, wir haben uns betrunken und die ganze Nacht über von seinem holden Weib geredet. Schließlich lachten wir nur noch wie die Idioten und haben uns geduzt. Als es dämmerte, sagte ich ihm, ich würde jetzt schlafen gehen, aber er bat mich zu bleiben und füllte noch einmal mein Glas. Dann redete er weiter über seine Frau und lachte fürchterlich dazu. Er hätte noch nie so viel Spaß gehabt, sagte er. Ich war so betrunken, dass ich wie ein Stein auf dem Stuhl einschlief, das Kinn auf der Brust. Als ich aufwachte, hatte ich schreckliche Kopfschmerzen und mein Hals war total verrenkt. Der Mann war fort. Ich rief nach ihm, aber er antwortete nicht. Ich fasste in meine Tasche, doch die Pistole war noch da. Dann suchte ich das gesamte Haus nach ihm ab und schließlich fand ich ihn auf dem Boden eines prachtvollen Badezimmers in einer riesigen Blutlache. Er hatte sich eine Gabel in die Kehle gerammt …«
Casini wurde in seinem Bett wach. Er tauchte langsam aus einem schrecklichen und beängstigenden Traum auf, in dem er nur planlos durch einen riesigen durchsichtigen Palast voller Leute gerannt war, treppauf, treppab, durch unzählige Korridore, gigantische Säle und winzige Kammern, und nie den richtigen Raum gefunden hatte. Ihm tat jeder Muskel seines Körpers weh. Ohne den Kopf vom Kissen zu heben, sah er, wie Tageslicht durch die Ritzen der Fensterläden ins Zimmer fiel. Es war ziemlich kalt. Er schaute auf den Wecker. Zehn Uhr zwanzig. Er war mit dem letzten kurzen Kerzenstummel in der Hand nach vier Uhr zu Bett gegangen. Er erinnerte sich auch noch dunkel, Ennio in das sogenannte Gästezimmer gebracht zu haben, eine dunkle quadratische Kammer voller düsterer Möbel, die er von alten Tanten geerbt hatte.
Er hörte das Geräusch eines leistungsstarken Motors auf der Straße, und trotz der pochenden Kopfschmerzen schleppte er sich ans Fenster. Ein Amphibienfahrzeug der Armee fuhr im Schritttempo vorbei, bahnte sich einen Weg durch die Autowracks und Baumstümpfe und hielt immer wieder an, um Hilfsgüter auszugeben. Andere Soldaten sorgten für den Abtransport der Tierkadaver und luden sie auf einen Kleinlastwagen. In der Straße waren bereits Männer und Frauen an der Arbeit. Sie schleppten Schutt und Unrat aus den Häusern und Geschäften in der Hoffnung, dass dort noch etwas zu retten sei. Der schwarze Heizölstrich einen Meter über ihren Köpfen war schon fast getrocknet. Es stank widerlich nach allem Möglichen.
Casini schleppte sich in die Küche und kochte sich mit Bottas
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