Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman
Bulldozer vorbei, der immer noch Schlamm wegräumte, in Richtung Piazza Tasso. Er fühlte sich großartig, zwanzig Jahre jünger. Als er in die Via del Campuccio schaute, entdeckte er ganz weit hinten Ennio, der einen Eimer Schlamm auf die Straße kippte. Bevor er ihm einen Gruß zurufen konnte, war dieser schon wieder in der Haustür verschwunden. Was für eine Geduld der arme Ennio hatte.
Casini stieg in den Fiat 1100, und als er auf dem Alleenring war, meldete er sich im Präsidium. Kurz zuvor hatte die Morgenschicht begonnen: Piras hatte sich im Viale Michelangelo vor Sercambis Villa postiert, und der Wagen, der vorher Gattaccis Haus überwacht hatte, stand nun in der Via Bolognese.
Casini hielt an der Piazza delle Libertà und kaufte eine Ausgabe von »La Nazione«.
EIN HOFFNUNGSSCHIMMER
IM DRAMATISCHEN KAMPF DER STADT:
RÄUMFAHRZEUGE TREFFEN EIN
UND BEFREIEN FLORENZ VOM UNRAT
In der Via Zara angekommen, zog Casini sich in sein Büro zurück. Er nahm ein weißes Blatt Papier aus der Schublade, und während er eine Zigarette rauchte, schrieb er die fünf Namen darauf, die ihm inzwischen nicht mehr aus dem Kopf gingen: Livio Panerai, Moreno Beccaroni, Alfonso Gattacci, Gualtiero Ser cambi, Italo Signorini. Er zeichnete von jedem von ihnen ein Bild mit wenigen Strichen, auch von dem jungen Mann in der Villa, den er noch nie gesehen hatte … Waren das wirklich die brutalen Mörder? Er knüllte das Blatt zusammen und warf es in den Papierkorb. Er musste mehr über Sercambi und Signorini erfahren, versuchen zu verstehen, was das für Menschen waren. Mittlerweile war er zu allem entschlossen, doch wenn er vorankommen wollte, konnte er bloß noch bluffen, wie beim Poker.
Es klopfte, ein Polizeibeamter brachte ihm eine Nachricht von Piras und entfernte sich wieder. Der Kommissar las die Notiz: Der Peugeot 404 ist kurz vor neun mit zwei Personen aus dem Tor des Viale Michelangelo gekommen: Ein Mann saß am Steuer und einer auf dem Rücksitz. Der Wagen ist bis zum Domplatz gefahren und hat vor dem Eingang der bischöflichen Kurie gehalten …
»Verflucht.« Casini kroch eine Gänsehaut den Arm hoch.
… Der Mitfahrer ist ausgestiegen. Unter dem Mantel trug er einen Talar. Er hat die Tür aufgeschlossen und ist im Inneren verschwunden. Der Peugeot ist weitergefahren, und wir sind ihm bis zum Markt von San Lorenzo gefolgt. Der Fahrer hat in aller Ruhe eingekauft und ist dann in den Viale Michelangelo zurückgekehrt.
»Verdammter Mist …« Casini verließ das Büro und lief in den Funkraum, wo man noch immer die Hilfen für die Überschwemmungsopfer im Umland koordinierte. Er setzte sich mit Piras in Verbindung und fragte ihn, ob er ihm den Fahrer und den Mann beschreiben könnte, der im Haus der Kurie verschwunden war.
»Ich habe sie nur von weitem gesehen«, sagte der Sarde.
»Versuch es trotzdem.«
»Der Fahrer war so um die vierzig, eher untersetzt, etwas dick, kastanienbraune Haare. Der Prälat ist groß, dürr, elegant und hat eine Glatze. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Das reicht mir für den Moment«, meinte Casini leise.
»Irgendwelche Anweisungen, Commissario?«
»Vergesst den Fahrer und überwacht nur den Prälaten. Ende.« Er ging wieder nach oben in sein Büro und stellte sich ans Fenster, um den Himmel zu betrachten. Wer war Gualtiero Sercambi? Die Villa am Viale Michelangelo, der persönliche Fahrer, der Talar … Alles ließ auf ein hochrangiges Mitglied der Kurie schließen, aber er musste mehr in Erfahrung bringen. Auf die Schnelle fiel ihm bloß Batini ein, den er fragen könnte, einen alten Journalisten, der jeden Winkel von Florenz wie seine Westentasche kannte. Er rief in dem funkelnagelneuen Redaktionshaus der »Nazione« an, das knapp einen Monat nach seiner Einweihung schon unter Wasser stand, und fragte nach ihm.
»Ja?«
»Ciao, Federico. Ich bin’s, Casini.«
»Ach, ciao, Bulle. Wie geht es dir?«
»Ich kann nicht klagen, und wie geht es bei euch mit der Zeitung?«
»Wir drucken in Bologna, aber sonst läuft es. Sag schon, was ist.«
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
»Wenn ich behilflich sein kann …«
»Wer ist Gualtieri Sercambi?«
»Meinst du Monsignore Sercambi?«
»Genau den.«
»Was willst du wissen?«
»Alles, was du anzubieten hast.«
»Na ja, seit ein paar Jahren ist er eine Art persönlicher Assistent des Erzbischofs, eine graue Eminenz, eine eher unauffällige, aber äußerst mächtige Erscheinung. Also jemand, der direkt mit dem Papst, dem
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