Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
besetzt. Bis auf zwei alte Amerikanerinnen saßen dort ausschließlich Männer. Diotivede und Casini mussten eine Viertelstunde am Tresen warten und ständig ausweichen, um die Kellner vorbeizulassen. Die Leute redeten laut miteinander. Es ging um die Jagd, Pilze und Fußball.
    Endlich wurde ein Tisch frei, und sie setzten sich. Beide bestellten Stockfisch in Tomatensoße und einen Liter Wein dazu.
    »Bist du je durch den Wald gewandert?«, fragte Casini.
    »Schon immer, und ich tue es noch heute«, erwiderte Diotivede.
    »Ach, das wusste ich ja gar nicht …«
    »Wann warst du das letzte Mal pinkeln?«
    »Heute morgen im Präsidium. Warum?«
    »Ach, das wusste ich ja gar nicht«, meinte der Arzt und lächelte kühl.
    »Jetzt weißt du es und kannst ruhig schlafen«, sagte Casini und füllte ihre Gläser. Er wollte das Mittagessen genießen, ohne daran denken zu müssen, dass er danach wieder ins Büro fahren und dort auf eine Nachricht warten würde, die vielleicht niemals kam.
    »Ich habe eine Freundin«, sagte Diotivede unvermittelt. Casini hörte auf zu kauen.
    »Ach, das wusste ich ja gar nicht … Und seit wann?« Er war ehrlich erstaunt. Der Arzt hatte noch nie so etwas Privates erzählt.
    »Fragst du mich nicht, wie alt sie ist?« Diotivedes Augen funkelten.
    »Wie alt ist sie?«
    »Zweiundvierzig, aber sie sieht aus wie fünfunddreißig.«
    »Dann pass auf, die muss verrückt sein.«
    »Geniale Menschen sind immer verrückt.«
    »Hast du ihr erzählt, dass du zwischen Leichen lebst?«
    »Genau deswegen hat es gefunkt«, sagte Diotivede und lächelte wieder kühl.
    »Wie heißt sie?«
    »Marianna.«
    »Du musst mich mit ihr bekannt machen«, sagte Casini.
    »Lieber nicht. Das sage ich deinetwegen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du könntest vor Neid tot umfallen.«
    »Ist sie so schön?«
    »Wunderschön«, schwärmte Diotivede und nahm einen großen Schluck Wein.
    »Bist du dir sicher, dass sie ganz richtig im Kopf ist?«, zog ihn Casini auf.
    »Ganz sicher, sie hat mir nämlich gesagt, sie kann Commissarios nicht leiden.«
    »Na ja, sie hat mich noch nicht kennengelernt.«
    »Ich möchte ihr lieber verheimlichen, dass ich einen so schlechten Umgang habe.«
    »Ich hab verstanden, du bist eifersüchtig«, sagte der Kommissar und verspürte selbst einen Stich Eifersucht.
    »Na, das sagt der Richtige. In zwanzig Jahren habe ich keine einzige deiner Freundinnen kennengelernt.«
    »Ich schaffe es auch nie, sie wirklich kennenzulernen, bevor es wieder vorbei ist.«
    »Vielleicht solltest du mal das Aftershave wechseln«, sagte Diotivede und kaute mit Genuss einen großen Bissen Stockfisch.
    Als Casini den Käfer wieder im Hof des Präsidiums parkte, war es nach halb vier. Es regnete immer noch leicht, und Mugnai lief ihm mit einem Schirm entgegen.
    »Commissario, Piras sucht Sie schon seit einer Stunde.«
    »Hier«, sagte Casini und reichte ihm die »Rätselwoche«.
    »Danke, Dottore.«
    »Wo ist Piras?«
    »Ich glaube, im Funkraum«, sagte Mugnai und sah verstohlen auf das Titelblatt der »Rätselwoche«. Casini ging direkt dorthin, und Piras kam ihm schon mit ausgebreiteten Armen entgegen.
    »Verdammt, Commissario …«
    »Was ist passiert?«
    »Nach dem Mittagessen hat Panerai sein Haus eine Stunde früher als sonst verlassen, unsere Leute sind ihm bis zur Piazza Alberti gefolgt, und dort haben sie ihn verloren.«
    »So was kann vorkommen.« Casini unterdrückte einen Fluch.
    »Sie suchen alle Straßen der Umgebung nach ihm ab, aber bisher haben sie ihn noch nicht gefunden.«
    »Sucht weiter.«
    »Ich bleibe hier, Dottore, und sage Bescheid, sobald sie ihn haben.«
    »Wann öffnet die Metzgerei?«
    »Um vier Uhr.«
    »Ich gehe rauf.« Als er sein Büro betrat, hörte er ein ersterbendes Summen über seinem Kopf und begriff, dass der Brummer es nicht mehr lange machen würde. Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Ihm ging ein Lied von Little Tony durch den Kopf, und er summte es leise mit geschlossenem Mund vor sich hin.
    Es wurde ein ebenso langer wie langweiliger Nachmittag, an dem es nur eine einzige Neuigkeit zu vermelden gab: Der Brummer hatte sich zum Sterben ausgerechnet einen Platz auf Casinis Schreibtisch ausgesucht, genau neben der Akte Giacomo Pellissari. Der Kommissar nahm das tote Tier an einem Flügel hoch und warf es in den Papierkorb.
    Um acht Uhr ging er zu Totò in die Küche eine Kleinigkeit essen, und als er die Trattoria verließ, hatte er

Weitere Kostenlose Bücher