Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman
erklärte er den Italienern die Wolkenbewegungen.
Casini aß seine Nudeln auf und goss sich noch ein Glas Wein ein. Jetzt begannen die zehn Minuten mit Werbung und Sketchen vor dem eigentlichen Abendprogramm. Nach dem Liedchen für Caffé Paulista kam Nino Benvenuti an die Reihe, der sich als Geheimagent 00sis ausgab. Er tötete seine Feinde, indem er wie ein Gummiball herumhüpfte, und eine Stimme aus dem Off zählte seine außergewöhnlichen Eigenschaften auf: nicht zu greifen, aufregend, unbezähmbar, überraschend, explosiv, unwiderstehlich … Und all das bloß, weil er Brandy der Marke Cavallino Rosso trank. Vielleicht hatte ja Agent 00sis die besten Chancen, die dunkelhaarige Schönheit aus dem Bekleidungsgeschäft zu erobern … Hatte sich Casini nicht gerade vorgenommen, nicht mehr an sie zu denken?
Er zündete sich eine Zigarette an und streckte die Füße unter dem Couchtisch aus. Enrico Maria Salerno empfahl Total- Benzin, um schneller fahren zu können. Nachdem er seinen Alfa Giulietta Sprint mit Super vollgetankt hatte, raste er allen anderen Wagen auf der Autobahn davon und freute sich: »So läuft das wie geschmiert!«. Salerno könnte der Dunkelhaarigen auch gefallen, oder war der auch zu alt? Na ja, es gab alt und alt, das war nun einmal so. Gregory Peck musste auch schon um die fünfzig sein, genau wie Anthony Quinn, Lino Ventura, Yves Montand … und James Stewart, der ging ja schon auf die sechzig zu. Faszinierende reife Männer, für die Frauen auf der ganzen Welt schwärmten. Gut, er sah ja ein wenig wie Lino Ventura aus. Die meisten Frauen hatten ihm das gesagt. Nur dass er kein großer Schauspieler war, sondern ein Commissario Capo, der schon seit längerem Polizeipräsident sein sollte. Wegen seiner eigenwilligen Arbeitsauffassung hatte er keine Karriere gemacht, und vielleicht lag es auch an seinem »übertriebenen Antifaschismus«. Aber ihn interessierte es nicht, Polizeipräsident zu werden. Er wollte nicht hinter einem Schreibtisch verfetten, und auch Macht reizte ihn nicht.
Er füllte wieder sein Glas. Das Vorprogramm war noch nicht vorbei. Nach der neidischen Mariarosa kam der Spot mit dem Gringo, der Montana -Dosenfleisch am Gürtel trug. Casinis Mundwinkel hoben sich zu einem Grinsen. Wenn er diesen Büchsenfraß sah, musste er an den Krieg denken. Die Alliierten hatten tonnenweise Rindfleisch in Dosen mitgebracht, und die italienischen Truppen lernten bald, es zu hassen. Manchmal vergruben sie die verfluchten Konserven in einem tiefen Graben, damit sie sie nicht weiter in ihren Rucksäcken herumschleppen mussten. Da pflückten sie lieber frisches Obst von den Bäumen, auch wenn es noch nicht reif war. Er stellte sich vor, wie er der dunkelhaarigen Schönheit aus dem Laden davon erzählte, und kam sich steinalt vor. Während er den italienischen Stiefel von unten aufgerollt hatte, um den Deutschen in den Arsch zu treten, hatte sie noch ins Bett gemacht.
Jetzt begann Studio Uno . Mina trug ein bodenlanges Abendkleid mit Rückenausschnitt, wie eigentlich fast immer. Sie sang ein schwungvolles Lied und wiegte sich im Takt zur Musik. Casini holte sich einen Grappa und ließ sich dann wieder aufs Sofa fallen, diesmal legte er sich hin. Nach einem Auftritt des Fernsehballetts und noch einem romantischen Schlager hatte endlich Totò seinen Auftritt, für den es donnernden Applaus gab. Er konnte sagen, was er wollte, und die Menge tobte vor Lachen. So ein Gesicht wie er hatte eben sonst keiner.
Völlig zerschlagen wachte Casini auf dem Sofa auf. Es war nach zwei. Er war wie ein Stein eingeschlafen, direkt nach Totò. Das Programm war schon seit einiger Zeit vorbei, und der Fernseher rauschte. Das Geräusch tat in den Ohren weh. Mit einem Stöhnen erhob er sich und schaltete den Apparat aus. Schwankend ging er ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Er wagte es nicht, in den Spiegel zu sehen, sondern blickte lieber der ausgespuckten Zahnpasta nach, wie sie im Abfluss des Waschbeckens verschwand.
Dann zog er sich aus und ging ins Bett. Sobald er das Licht ausgemacht hatte, musste er wieder an das Mädchen mit den dunklen Haaren denken, an ihre schmalen und doch kräftigen Hände, an die Art, wie sie ihre Hüften wiegte … Er musste aufhören, sich wie ein kleiner Junge zu benehmen. Vielleicht erinnerte er sich besser daran, dass er kurz vor der Pensionierung stand. Wie viele Frauen sah er jeden Tag auf der Straße? Einige hinterließen bei ihm einen stärkeren Eindruck, aber letztlich
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