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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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meine Urgroßmutter ausFlicken von kariertem und bunt bedrucktem Baumwollstoff genäht hatte. Jede Decke war wie eine Landkarte – es gab Motive mit auf Knien betenden pausbackigen Kindern, eins mit Entchen, die auf einem Teich schwammen, eins von dem sagenhaften Holzfäller Paul Bunyan mit seiner Axt und seinem großen blauen Ochsen – alle mit dickem Garn in geometrischen Mustern aneinandergenäht. Noch bevor wir sie reinigen lassen konnten, beanspruchte Esperanza schon die weichste für sich, wickelte sich darin ein und kuschelte sich vor den Kamin.
    Sie alle liebten den Ort nicht nur, sie brauchten ihn auch irgendwie. Ich war die Einzige, die von den hohen Bäumen, dem dahinfließenden Wasser, der weiten Landschaft und den historischen Funden unberührt blieb. Ich konnte es nicht abwarten, wieder zurückzukommen, und nutzte jeden Vorwand, um mich in die Stadt chauffieren zu lassen.
Bitte, ich darf dieses Sinfoniekonzert nicht verpassen. Bitte, ich muss zum Lego-Physik-Camp
. (Völlig egal, dass ich Lego doof fand.)
    Langsam verzweifelte ich, ich fühlte förmlich, wie meine Träume mit Stahlwolle von mir abgeschrubbt wurden. Alle meine Freunde polierten in Avignon ihre Sprachkenntnisse auf, studierten am Dartmouth College bei preisgekrönten Dichtern, nahmen Geigenstunden in Salzburg oder besuchten in Ashland ›Shakespeare spielen für Anfänger‹. Das Einzige, was ich lernte, war Rattenbabys vergiften und anschließend ihre Leichen aus dem Kamin schippen. Aber wer scherte sich darum, was ich dachte, wenn der Duft vonHarz in der Luft lag und man Wasser direkt aus dem Fluss trinken konnte?
    Am Labor Day kam Dad dann zu dem Schluss, dass wir jeden Tag einen solchen Wochenendausflug gebrauchen konnten, und zog ganz mit uns dorthin. An dem Punkt konnte ich nur noch gequält lächeln. Welchen Sinn hatte es, sich zu wehren? Bis dahin war mein altes Leben sowieso schon vorbei, bye-bye.
    Doch begonnen hatte alles schon vorher, an dem muffigsüßen Morgen im Juni, an dem mein Dad nicht zu trösten war und meine Mutter wie wild backte. Da spürte ich zum ersten Mal, wie das Leben sich um mich zusammenzog. Als ich dort in der warmen Küche unseres hippen Stadthauses saß und mit ansah, wie mein entschlossener Vater nicht mehr weiterwusste, da merkte ich schließlich, dass ich nur noch wegwollte – und da fing ich an zu laufen.

6
    Als Ranger Dave und ich angefahren kamen, saßen meine Eltern auf der Veranda. Tomás, mein Quasi-Pflegebruder, spielte auf dem Parkplatz mit Casey Burns Basketball. Sie gaben ein seltsames Paar ab, da Casey anderthalb Kopf kleiner war als Tomás. Andererseits war jeder anderthalb Kopf kleiner als Tomás.
    Mit Tomás wollte ich heute ganz bestimmt nicht reden. Nicht dass ihr mich falsch versteht, er war kein schlechter Kerl. Soweit ich sagen konnte, war er ganz anständig. Beispielsweise reparierte er im und ums Gasthaus Sachen, noch bevor jemand anders gemerkt hatte, dass sie kaputt waren. Aber sich mit ihm abzugeben, war anstrengend. Gleich als er zu uns gezogen war, hatte ich versucht, ihn aus der Reserve zu locken, aber alles, was ich für meineMühe bekommen hatte, war ein Achselzucken oder ›weißnich‹.
    Casey tat mir leid, opferte sich trotz Regen für ein Spiel und bekam zum Dank auch noch einen Dunk ins Gesicht. Doch er tat es mit einem Lachen ab. Dann sah er, wie wir aus Ranger Daves Wagen stiegen. »Alter, ich hab dir doch gesagt, deiner Schwester ist nichts passiert«, sagte er zu Tomás.
    Tomás nahm den glitschigen Basketball in die Hände und warf ihn mit gespielter Gleichgültigkeit in den Korb. Doch er hatte uns gesehen. »Sie ist nicht meine Schwester«, sagte er.
    »Und warum darf ich dann nicht …«
    »Halt die Klappe!« Tomás stieß Casey fest mit dem Ellbogen in die Rippen.
    Während Mom und Dad die Veranda hinuntergerannt kamen, hörte ich, wie Tomás Casey anfauchte: »Musst du dich immer wie ’n Vollidiot anstellen?«
    Dad schlang die Arme um mich und drückte ganz fest zu, wie eine Boa constrictor, so als würde es mich lebendiger machen, wenn er mir die Luft abdrückte. Ich konnte es verstehen, hatte ich doch Karen auch immer fester auf den Rücken geschlagen, als sie nicht atmete.
Mit Gewalt geht alles
.
    »Ronnie, bist du in Ordnung?«, fragte Dad. »Dave hat gesagt, wir sollen dich nicht abholen.«
    »Du hättest sowieso nichts machen können, Paul«, entgegnete Ranger Dave.
    »Danke, dass du sie nach Hause gebracht hast«, sagte Dad.
    »Ihr wärt stolz auf

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