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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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Armen und Beinen hatte, aber davon ging es mir auch nicht besser. Das, was ich gesehen hatte, saß in mir fest, tiefer als Haut und Knochen.
    Als ich fertig angezogen in Schürze und Bluse aus dem Badezimmer kam, fand ich Gretchen schlafend in ihrem Bett. Die Schuhe hatte sie ausgezogen, ihre Beine lagenübereinandergeschlagen auf der Decke und sie sabberte auf mein Kissen, das mit den Bären in Schneeschuhen. Sie sah aus, als ob sie fror, aber schon zu weit weg war, um etwas dagegen zu tun.
    Ich deckte sie mit einer Häkeldecke zu. Dabei stieß eine Hand von ihr unter der Decke hervor. Ich dachte, sie wird vielleicht wach, doch sie kratzte sich nur am Kopf, knirschte laut mit den Zähnen und schlief mit dem Gesicht nach oben weiter.
    Arme Greti. Ich wusste, dass viele Jugendliche einen abenteuerlichen Schlaf-Wach-Rhythmus hatten und dass Gretchen das Geld brauchte, um an der Portland State studieren zu können, aber trotzdem hätte Mom eine Art Backablöse einstellen sollen, um Gretchen zu entlasten. Stattdessen ließ Mom sie noch mehr arbeiten, je besser ihre Baguettes und Brioches wurden. Und was bekam Gretchen dafür? Einen Dollar mehr die Stunde und ein Ausziehbett im Krähennest.
    Es klopfte an der Tür.
    »Ronnie! Bist du da?«
    Ich öffnete einen Spalt. Brad Boyle stand an die Wand gelehnt, mit seinem Amerika-Kopftuch über den wasserstoffblonden Stachelhaaren. Er hatte einen Sonnenbrand auf der Nase und seine Lippen waren wachsweiß von Tigerbalsam.
    Ich trat aus der Tür und zog sie leise hinter mir zu. »Kannst du mal aufhören, so zu schreien?«, flüsterte ich. »Gretchen schläft.«
    Er legte übertrieben den Zeigefinger an die Lippen. »Sorry, Mann. Ich wollte dir bloß sagen, dass unten jemand auf dich wartet.«
    Ich hatte keine Ahnung, wer das sein könnte. Die Einzigen, die je zu mir wollten, waren Gretchen und Karen, und Gretchen schlief.
    »Wer denn?«
    »Weiß nicht, Mann. Irgend so ’n Typ.«
    »Danke. Ich komm gleich runter.«
    Er musterte mich. Ich war noch immer klitschnass. »Machst du noch was mit deinen Haaren?«
    »Klappe«, sagte ich. Das war ein heikles Thema. Ich hatte Moms braune Locken geerbt, und wenn ich versuchte, sie zu frisieren, sahen sie nachher aus wie ein Helm. So ziemlich das Einzige, was ich machen konnte, war, eine Tonne Stylingprodukte reinzuknallen, damit sie sich nicht so kräuselten.
    Er zuckte gleichgültig mit den Schultern.
Na gut, wie du meinst
.
    Mir fiel etwas ein. »He, Brad«, sagte ich. »Hat Dad mit dir gesprochen? Er hat dich vorhin gesucht.«
    Brad sah nicht überrascht aus, aber es dauerte ein paar Sekunden, bis er antwortete. »Ja, ja. Wir sind spät dran mit der Miete. Ich hab ihm gesagt, er soll sie von einer anderen Karte abbuchen.«
    »Miete«, wiederholte ich skeptisch. Wieso dachte er bei Karens Sandkuchen an die Miete? Verstand ich nicht. Aber Brad war offenbar egal, ob ich ihm glaubte. Er schlurftezu seinem Zuhause am Ende des Flurs, der Gletscherlilien-Suite.
    Ich ging zur Treppe, um nachzuschauen, für wen ich mir wohl die Haare stylen sollte. Vom Absatz aus sah ich, wie sich Sheriff McGarry und ihr Deputy, der wahrscheinlich seinen Müllsackregenmantel wiederhaben wollte, mit meinem Vater unterhielten. Die waren doch nicht irgend so ’n Typ. Hm.
    Als ich schon auf dem Weg nach unten war, fiel mir etwas ein.
    Ich lief zurück zum guten Brad, der gerade dabei war, die Tür zur Gletscherlilien-Suite aufzuschließen.
    »Warte mal«, flüsterte ich. »Hast du gesehen, dass der Sheriff da ist?«
    Er drehte sich um. Er hatte mit dem Handy telefoniert und legte eilig auf, indem er es zusammenklappte und in seine Tasche steckte. Es dauerte einen Augenblick, bis er sein normales Gesicht aufgesetzt hatte. »Klar, Mann. Die versuchen rauszukriegen, was mit deiner Freundin passiert ist.«
    »Hast du alles runtergespült, du weißt schon, deine
Zigaretten?
«
    Ich hoffte, dass er mich verstand. Ich hatte nie wirklich Gras aus der Gletscherlilien-Suite gerochen. Ich nahm einfach an, das gehöre bei Skifreaks mit dazu.
    Sein Lächeln war schwach wie die Februarsonne und genauso nichtssagend. »Keine Sorge. Das haben wir versteckt.«
    Ich atmete auf. »Okay. Ich meinte ja nur«, sagte ich und wandte mich zum Gehen.
    Ich hatte meine Schuldigkeit getan. Jetzt musste ich meinen Besucher begrüßen.
    »Ronnie«, rief Brad mir hinterher.
    Ich drehte mich wieder zu ihm um und sah einen Ausdruck in seinem Gesicht, der
nicht
nichtssagend war, sondern müde und

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