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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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Blumentopfbrot-Gourmet
. Sie lud Promis aus der Gegend ein – Politiker, Basketballspieler vom Team der
Portland Trail Blazers
, Nachrichtenmoderatoren, den Zwergseidenäffchen-Wärter vom Zoo –, die dann mit ihr vor der Kamera standen und ihr halfen, würzige Hähnchenkeulen in den Tandoori-Ofen zu stellen oder Koriander für kalten säuerlichen Gazpacho zu hacken. Niemand sagte je eine Gastrolle in ihrer Show ab. Sie war stets charmant und beköstigte ihre Gäste gut.
    Mein Vater war für mich immer das genaue Gegenteil von Mom. Er arbeitete als Pflichtverteidiger und war die Sorte Mensch, die Wörter wie ›Falsifikat‹ statt ›Fake‹ benutzten. Eigentlich schien er ganz glücklich zu sein, aber inzwischen frage ich mich, ob Dad je wirklich glücklich war oder bloß schläfrig und zufrieden, wie nach einem guten Essen.
    Dann wachte ich eines Morgens auf, und die Luft roch so würzig-süß, dass ich dachte, es brennt mir die Nasenschleimhäute weg.
    Mom sagte, die Veränderung in unserem Leben sei gar nicht so plötzlich eingetreten, sondern Dads Zusammenbruch habe sich lange angebahnt. Sie meinte, wenn wir auf die kleinen Warnzeichen geachtet hätten, hätte uns der große Knall nachher nicht so von den Füßen gehauen. Ich weiß nur, dass für mich der Untergang für immer mit dem muffig-süßen Duft von Kardamombrot verbunden ist.

    An einem Junimorgen im vergangenen Jahr wachte ich um sechs Uhr auf und witterte die Veränderung in der Luft. Ich öffnete mein Fenster, weil es drinnen so stickig war.
    Dann schlenderte ich in die Küche hinunter, wo ich Mom und Dad vorfand. Mom trug ihr
OSU Beavers
-T-Shirt und Boxershorts. Ihre braunen Locken standen nach allen Seiten ab, wie dunkle Traubenbüschel. Dad hatte seinen liebsten Flauschbademantel an und saß amFrühstückstisch. Seine kurzen blonden Haare lagen platt und verfilzt am Kopf, als hätte er stundenlang in ihnen herumgewühlt. Er war fast überall blass, nur seine Augenringe hatten die Farbe von Kaffeesatz.
    Von der Tür aus sah ich zu, wie Dad den Kopf in den Armen vergrub. »Was hab ich bloß getan?«, murmelte er.
    Mom streichelte ihm über den Rücken und schob ihm noch mehr Kardamombrot hin, dick mit Honigbutter bestrichen. Dann fing Dad wieder zu weinen an und Mom musste erneut ihre Brotmedizin verabreichen, wie Aspirin.
    »Ich verstehe nicht, warum du dir solche Vorwürfe machst«, sagte Mom. »Du hast doch nur deine Arbeit getan.«
    Ich hatte genug davon, an der Tür zu lauern, also ging ich hinein, mich räkelnd und mir die Augen reibend, so als wäre ich eben erst aufgewacht.
    »Na«, sagte ich. »Was ist los?«
    Die beiden sahen hoch. »Nichts, Schatz.« Mom tätschelte mir den Arm und warf mir ihr aufmunterndes Promi-Köchinnen-Lächeln zu. »Nimm dir was vom Kardamombrot.«
    Dad setzte sich auf. »Das ist nicht ganz korrekt«, sagte er. »Es ist nicht
nichts

    »Komm schon, Paul. Hör auf, dich fertigzumachen. Der Kerl war auch nicht schlimmer als ein paar von den fiesen Typen, die du schon verteidigt hast.«
    Dad schnaubte. »Tja, von denen hab ich mich aber nicht für dumm verkaufen lassen.«
    Dads Spezialgebiet als Pflichtverteidiger waren Typen, die ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkamen. ›Rabenväter‹ nannte Dad sie. Seiner Ansicht nach konnte man die meisten von ihnen kaum Väter nennen. Er mochte sie alle nicht und lud keinen von ihnen zu uns nach Hause ein, obwohl Einladungen zum Essen bei uns gang und gäbe waren. Wenn er einen seiner ehemaligen Mandanten auf der Straße traf, nickte er nicht mal im Vorübergehen. Mein Vater beschränkte sich darauf, diese Versager so schnell wie möglich durch die Gerichte zu schleusen.
    »Er hat sich völlig normal verhalten«, sagte Dad. »Er war Alkoholiker, hat seine Fehler aber eingesehen und wollte mithilfe seines Glaubens alles wiedergutmachen.« Der Backofen-Timer fing an zu piepen. Mom zog einen weiteren Hefezopf aus dem Ofen, während Dad an der dicken Scheibe Brot auf seinem Teller zupfte und kleine mundgerechte Krümel formte, vollkommene Kugeln, aus denen alle Luft herausgequetscht war.
    »Ich wünschte, du würdest es nicht so schwernehmen, Schatz«, sagte Mom.
    Dad schlug die Faust wie einen Richterhammer auf den Tisch. »Es nicht so schwernehmen? Ich hab ihm geholfen, seine Kinder wiederzubekommen, Claire. Und der Kerl verdient es nicht, Vater zu sein. Du hast den ganzen Mist nicht gesehen, den sie aus dem Haus geholt haben. Überall standen Bleiche und Rattengift herum.

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