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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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unser Mädchen gewesen. Sie hat einen klaren Kopf bewahrt und alles getan, was sie konnte.«
    Ihr könnt nicht stolz auf mich sein!
, wollte ich schreien.
Ich hab nichts getan, worauf man stolz sein kann
. Oh, Mann. Ich hatte keinen Funken Freundlichkeit mehr in mir. Allein bei dem Wort ›stolz‹ wollte ich schon jemandem eine knallen.
    »Stimmt es? War es Karen?«, fragte Dad.
    Ranger Dave nickte.
    »Die arme Familie«, sagte Dad und strich sich fest über die Wangen, als könnte er sich das Gesicht wie eine Maske vom Kopf ziehen.
    Mom, die vielleicht einen weiteren Dad-Supergau witterte, drängte sich zu mir. »Na, wenigstens fehlt dir nichts, Ronnie. Siehst du, Paul? Ihr geht’s gut. Dir geht’s doch gut, nicht, Schatz?« Sie nickte mir zu, wollte einfach, dass es wahr ist. Doch als ich auf ihre Hände sah, waren sie leer. Wo waren meine S’mores? Wo war das Essen, das mich wieder in einen normalen Menschen verwandeln würde? Ich wollte auf sie einschlagen, ihr die Augen auskratzen. Ich wollte sagen:
Das ist deine Schuld. Wir sollten überhaupt nicht hier sein. Du hast dich für das entschieden, was für Dad am besten ist, nicht für mich, und das verzeih ich dir nie
.
    Doch Moms Augen glänzten so, und immer wieder wischte sie sich die trockenen, sauberen Hände an einemschmutzigen Geschirrtuch ab. Darum sagte ich nur: »Ja, klar.« Ich bemühte mich um einen weichen Tonfall, ohne Verbissenheit. Dann stapfte ich die Treppe zum Gasthaus hoch, um wegzukommen.
    Als ich oben war, konnte ich es mir nicht verkneifen, über die Schulter zu sehen. Ranger Dave besprach sich im Flüsterton mit meinen Eltern und Casey und Tomás spielten weiter. Ich hörte das
plock-boing, plock-boing
des Balls auf dem nassen Asphalt und beobachtete, wie Casey ihn Tomás aus der Hand schlug, zum Korb zog und den Ball locker versenkte.
    Sonst gewann Casey nie einen Vorteil über Tomás, der ebenso schnell wie groß war. Tomás musste abgelenkt sein. Und tatsächlich blickte er mir nach, auch wenn er schnell wegsah, als ich ihn ertappte.
Glotzkopf
, dachte ich. Er war ein netter Kerl, aber auch nicht besser als die anderen, die aus ihren schicken Terrassenhäusern kamen, sobald sie Sirenen hörten.
    Ich war so damit beschäftigt, schlecht gelaunt zu sein, dass ich nicht darauf achtete, wohin ich trat, und beinah hingeflogen wäre, als ich überraschend mit dem Fuß an etwas stieß. Ich fing mich an der Fliegengittertür ab und sah nach, worüber ich gestolpert war.
    Es war das Brett mit Karens Sandvulkanen, aus denen Lupinen hervorschossen. Nur dass sie dank mir nun ganz explodiert waren – Mount St. Helens mit einem großen Loch.
    Ich sank auf die Knie und hoffte, dass ich Karens letztesKunstwerk nicht allzu schlimm beschädigt hatte. Gerade wollte ich die Lupinenblüten wieder in die Mitte setzen, da hielt ich inne.
    Dad trat hinter mich und tätschelte mir die Schulter. »Lass gut sein, Ronnie«, sagte er sanft. »Tomás kann das sauber machen.«
    Ich wandte mich zu ihm um. »Nein, Dad, du verstehst nicht«, erwiderte ich. »Die muss Karen heute früh gebracht haben. Sollen wir das jemandem sagen? Für den Fall, dass sie irgendwo hier reingefallen ist und nicht weiter flussabwärts.«
    Er besah sich die Sandkuchen mit neuem Interesse und kratzte sich am Bart. Zupfte nicht, sondern kratzte. Ein anwaltliches Bartkratzen. Ich konnte förmlich sehen, wie er die Sandkuchen als Beweisstück untersuchte.
    »Interessant«, sagte er. »Ich zeig’s den Brads. Und du gehst jetzt rein.« Und damit öffnete er die Tür und schob mich ins Haus.
    Triefend stand ich auf dem Teppich und bemühte mich, den Regen abzuschütteln, bevor ich über die Holzdielen zu meinem Zimmer tapste. Die Brads? Warum sollte Dad denen von den Sandkuchen erzählen?
    Die Brads waren zwei blonde Typen mit Geld von Daddy – Brad Boyle und Brad Wells, oder der gute und der böse Brad. Sie waren leicht gammelig aussehende, dünne Mittzwanziger, die nichts anderes im Kopf hatten als snowboarden und in der
Astro-Lounge
Bier trinken. Seit Weihnachten waren sie bei uns einquartiert, und es sah nicht soaus, als würden sie bald irgendwo anders hingehen, nach Hause oder auf Jobsuche.
    Wieso sollten die sich für Karens Sandkuchen interessieren?
    Als ich so triefend dastand, kam Gretchen durch die Schwingtür aus der Küche, in den Händen Tabletts mit armen Rittern aus Brioche, die mit Crème fraîche und Erdbeeren gefüllt waren. Gretchen trug ihre kakifarbene Bluse mit

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