Dunkle Wolken über den Schären: Mittsommerträume (German Edition)
gewesen war. Wenn man als Journalistin erfolgreich sein wollte, brauchte man das, was viele ihrer Kollegen den “richtigen Riecher” nannten. Doch die Zeiten, in denen sie jeder heißen Story hinterherjagte, waren längst vorbei.
Das hatte sie wenigstens noch vor ein paar Tagen geglaubt.
“Was ist?”, fragte er und riss sie damit aus ihren Gedanken. “Sie sehen plötzlich so nachdenklich aus.”
Sie schüttelte den Kopf. “Es ist nichts. Machen Sie sich meinetwegen bitte keine Gedanken. Wir treffen uns dann also heute Abend, einverstanden? So gegen sieben?”
“Einverstanden. Ich hole Sie dann bei Fredrik ab.”
“Eigentlich muss ich schon heute Vormittag zurück aufs Festland. Magda hat mir angeboten, mich mitzunehmen, sie wollte ohnehin noch einige Besorgungen in Lillebom erledigen. Und wir beide treffen uns dann direkt am Hafen, okay?”
Er nickte. “Gut, so machen wir es. Ich wollte eh gerade bei Fredrik vorbeischauen. Kommen Sie mit?”
Schweigend gingen sie nebeneinander her, und Jenny konnte es nicht lassen, Magnus immer wieder verstohlen von der Seite zu mustern. Verflixt, er sah geradezu unverschämt gut aus, auf eine ursprüngliche, ein wenig verwegene Art und Weise.
Das dichte dunkle Haar war schon länger nicht geschnitten worden, sodass es sich im Nacken kräuselte, und der dunkle Schatten seines Dreitagebarts ließ sein ohnehin schon markantes Gesicht noch männlicher wirken. Seine Augen waren von einem dunklen Blau, so tief und unergründlich wie die See. Nur selten hatte Jenny einen Mann getroffen, der in verwaschenen Jeans, Pullover und derben Stiefeln eine so attraktive Erscheinung abgab.
Pass bloß auf, sagte sie warnend zu sich selbst. Er könnte dir gefährlich werden, wenn du nicht achtgibst.
Schon jetzt spürte sie, wie ihr Herz jedes Mal schneller zu schlagen begann, wenn er sie anblickte. Wahrscheinlich eine vollkommen normale Reaktion ihres Körpers, nachdem sie schon so lange, genau genommen seit Torbens Tod, keine derartigen Gefühle mehr für einen Mann zugelassen hatte. Irgendwann forderte die Natur nun einmal ihr Recht, aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie diesem Sehnen auch nachgeben würde.
Nein, auf gar keinen Fall!
Trotzdem atmete sie erleichtert auf, als sie schließlich das Haus der Björlings erreichten. In ein paar Minuten würde sie in einem Boot zurück nach Lillebom fahren und damit Magnus Sunds irritierender Nähe entkommen. Sie hoffte – nein, sie war davon überzeugt – dass es ihr bei ihrer nächsten Begegnung besser gelingen würde, mit der Anziehungskraft zurechtzukommen, die er auf sie ausübte. Ganz einfach, weil es sein musste.
Magda trat mit einem großen Korb hinaus auf die Veranda. Als sie Jenny und Magnus erblickte, kam sie lächelnd auf die beiden zu.
“
Hej
, ihr zwei!”
Magnus erwiderte ihr Lächeln, und zum ersten Mal sah Jenny ihn völlig gelöst und entspannt. Für einen Moment schien die Last, die er mit sich herumschleppte, von ihm abgefallen zu sein. “
God Morgon
, Magda.” Er nahm ihr den Korb ab. “Du sollst doch nicht mehr so schwer heben. Hast du schon vergessen, was der Doktor gesagt hat?”
“Ach, was!”, protestierte sie. “Ich mag nicht mehr die Jüngste sein, aber zum alten Eisen gehöre ich noch lange nicht. Und das lasse ich mir von so einem Jungspund von Arzt auch nicht einreden.” Sie winkte ab. “Lass uns das Thema wechseln. Habt ihr euch nett unterhalten?”
Jenny nickte. “Das haben wir. Aber eigentlich bin ich nur hier, um Sie noch einmal daran zu erinnern, mich mit nach Lillebom zu nehmen, wenn Sie nachher übersetzen.”
“Dann haben Sie also mit Magnus alles geklärt?”
Fragend schaute er Jenny an. “Geklärt? Was denn geklärt?” Er stellte Magdas Korb auf dem Boden ab und verschränkte die Arme vor der Brust.
“Ach, das ist nicht so wichtig.” Jenny winkte ab. “Wir können uns heute Abend in Ruhe darüber unterhalten.”
Sie hoffte, dass er nicht weiter nachbohren würde, doch den Gefallen tat er ihr nicht. “Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie mir etwas verschweigen.” Seine Stimme klang argwöhnisch. “Außerdem besitzen Sie mir gegenüber anscheinend einen Vorteil, denn offensichtlich wissen Sie ganz genau, wer ich bin, da Sie ja etwas mit mir besprechen wollten. Mir hingegen haben Sie bislang nicht einmal Ihren Namen verraten.”
“Mein Junge, ich verstehe nicht, warum du gleich so unfreundlich bist”, mischte Magda sich ein. “Fredrik hat Jenny heute
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