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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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sie aus dem Fenster und sagte: »Wie ist sein Zustand, Dexter? Wie schlimm ist es?«
    »Der Haarschnitt ist echt übel, Debs. Er sieht damit ziemlich unheimlich aus. Aber alles andere … Er scheint damit zurechtzukommen, er will nur nicht, dass du Mitleid mit ihm hast.« Sie sah mich an, während sie wieder auf ihrer Lippe kaute. »Das hat er gesagt«, versicherte ich ihr. »Er will lieber wieder nach Washington zurück, als von dir bemitleidet zu werden.«
    »Er will keine Last sein«, sagte sie. »Ich kenne ihn. Er muss es allein schaffen.« Sie sah wieder aus dem Fenster. »Ich kann mir nicht mal vorstellen, wie es gewesen ist. Für einen Mann wie Kyle, so hilflos da zu liegen, während …« Sie schüttelte langsam den Kopf, und eine einzelne Träne rann ihre Wange hinab.
    Ehrlich gesagt konnte ich mir äußerst gut vorstellen, wie es gewesen war, und das hatte ich bereits einige Male getan. Schwierigkeiten hatte ich mit dieser neuen Seite an Deborah.
    Sie hatte bei der Beerdigung ihrer Mutter geweint und bei der ihres Vaters, und seitdem meines Wissens nicht mehr. Und nun setzte sie meinen Wagen praktisch unter Wasser, wegen etwas, das ich mittlerweile als Vernarrtheit in einen Flegel betrachtete. Eine logisch denkende Person sollte eigentlich weiterziehen und sich nach jemandem umsehen, bei dem noch alle Teile an der richtigen Stelle saßen. Aber nun, da er unwiderruflich versehrt war, schien Deborah sich noch mehr Sorgen um Chutsky zu machen. Konnte das Liebe sein? Deborah verliebt? Es schien unmöglich. Selbstverständlich wusste ich, dass sie theoretisch dazu in der Lage war, aber – ich meine, sie war schließlich meine Schwester.
    Es war sinnlos, darüber nachzugrübeln. Ich wusste nichts über die Liebe und würde das auch nie. Es schien mir kein schrecklicher Verlust zu sein, obwohl es das Verständnis populärer Musik erschwerte.
    Da es nichts gab, was ich dazu hätte sagen können, wechselte ich das Thema. »Soll ich Captain Matthews anrufen und ihm melden, dass Doakes verschwunden ist?«, fragte ich.
    Deborah wischte sich mit der Fingerspitze eine Träne von der Wange und schüttelte den Kopf. »Das muss Kyle entscheiden«, sagte sie.
    »Ja, selbstverständlich, Deborah, aber unter den Umständen …«
    Sie schlug sich mit der Faust auf den Oberschenkel, was ebenso sinnlos wie schmerzhaft schien. » GOTTVERDAMMT , Dexter, ich will ihn nicht verlieren.«
    Hin und wieder habe ich das Gefühl, als könnte ich nur eine Spur einer Stereoaufnahme hören, und dies war so ein Moment. Ich hatte keine Vorstellung, was – nun, um ehrlich zu sein, ich hatte nicht mal eine Vorstellung, wovon ich eine Vorstellung hätte haben sollen. Was meinte sie? Was hatte es mit dem zu tun, was ich gesagt hatte, und warum hatte sie so heftig reagiert? Und warum glauben so viele dicke Frauen, sie würden in nabelfreien T-Shirts gut aussehen?
    Ich vermute, man konnte mir meine Verwirrung vom Gesicht ablesen, denn Deborah lockerte ihre Fäuste und atmete tief ein. »Kyle muss sich auf etwas konzentrieren, er muss weiterarbeiten. Er muss weiterhin die Führung haben, oder diese Sache wird ihn umbringen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er ist stets in allem, was er tat, der Beste gewesen. Das ist sein – das macht ihn aus. Falls er dazu kommt, darüber nachzudenken, was Danco ihm angetan hat …« Sie biss sich auf die Lippe, und eine weitere Träne rann ihre Wange hinab. »Er muss bleiben, was er ist, Dexter, oder ich werde ihn verlieren.«
    »In Ordnung«, sagte ich.
    »Ich kann ihn nicht verlieren, Dexter«, sagte sie wieder.
    Am Mutiny hatte ein anderer Türsteher Dienst, aber er schien Deborah zu erkennen und nickte ihr nur zu, als er uns die Tür aufhielt. Wir gingen schweigend zum Aufzug und fuhren in den zwölften Stock.
    Ich habe mein ganzes Leben in Coconut Grove verbracht, deshalb wusste ich aus überschwänglichen Zeitungsbeilagen, dass sein Zimmer im britischen Kolonialstil möbliert war. Ich habe niemals verstanden, warum, aber das Hotel hatte beschlossen, dass der britische Kolonialstil perfekt die Atmosphäre von Coconut Grove widerspiegelte, obwohl hier meines Wissens nie eine britische Kolonie existiert hat. Deshalb war das ganze Haus so eingerichtet.
    Aber ich glaube kaum, dass sich ein Innendekorateur oder irgendein britischer Kolonist jemals vorgestellt hatte, dass etwas wie Chutsky auf dem riesigen Doppelbett in der Penthouse Suite lag, zu der Deborah mich

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