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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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führte.
    Sein Haar war in der letzten Stunde nicht nachgewachsen, aber wenigstens hatte er den orangefarbenen Overall gegen einen weißen Frotteebademantel getauscht, und jetzt lag er rasiert, zitternd und heftig schwitzend mit einer halbleeren Flasche Skyy Wodka neben sich mitten auf dem Bett. Deborah zögerte keinen Moment. Sie schritt auf sein Bett zu, setzte sich neben ihn, nahm seine einzige Hand in ihre einzige Hand. Liebe zwischen Ruinen.
    »Debbie?«, fragte er mit der zittrigen Stimme eines alten Mannes.
    »Ich bin da«, sagte sie. »Schlaf jetzt.«
    »Ich schätze, ich bin nicht so gut, wie ich dachte«, sagte er.
    »Schlaf«, sagte sie, hielt seine Hand und legte sich neben ihn.
    So verließ ich sie.

[home]
    27
    A m nächsten Morgen schlief ich aus. Das hatte ich mir schließlich verdient! Und obwohl ich erst um zehn Uhr bei der Arbeit eintraf, war ich lange vor Vince, Camilla oder Angel-keine-Verwandtschaft dort, die sich anscheinend alle krankgemeldet hatten. Über anderthalb Stunden später kam Vince, grün im Gesicht und sehr alt aussehend, endlich herein.
    »Vince!«, grüßte ich äußerst gut gelaunt, worauf er zusammenzuckte und sich mit geschlossenen Augen an die Wand lehnte. »Ich muss mich bei dir für die grandiose Party bedanken.«
    »Bedank dich leise«, krächzte er.
    »Danke«, flüsterte ich.
    »Gern geschehen«, flüsterte er zurück und wankte vorsichtig zu seinem Kabuff.
    Es war ein ungewöhnlich ruhiger Tag, damit meine ich, dass auch abgesehen von dem Mangel an neuen Fällen Grabesstille im forensischen Bereich herrschte, mit dem einen oder anderen blassgrünen Geist, der gelegentlich schweigend leidend vorüberglitt. Glücklicherweise war nur sehr wenig Arbeit zu erledigen. Um siebzehn Uhr hatte ich meinen Papierkram geschafft und alle meine Stifte sortiert.
    Rita hatte gegen Mittag angerufen, um mich zum Abendessen einzuladen. Ich glaube, sie wollte sich vergewissern, dass ich nicht von einer Stripperin entführt worden war, deshalb sagte ich zu, nach der Arbeit zu kommen. Von Debs hörte ich nichts, aber das musste ich auch nicht wirklich. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie bei Chutsky im Penthouse war. Doch ich machte mir ein wenig Sorgen, da Dr. Danco wusste, wo sie zu finden waren, und vielleicht nach seinem verschwundenen Projekt schauen wollte. Andererseits hatte er Sergeant Doakes zum Spielen, was ihn mehrere Tage lang beschäftigen und friedlich stimmen sollte.
    Nur zur Sicherheit rief ich Deborahs Handynummer an. Sie meldete sich nach dem vierten Klingeln. »Was?«, sagte sie.
    »Denkst du daran, dass Dr. Danco beim ersten Mal problemlos eindringen konnte?«, fragte ich.
    »Beim ersten Mal war ich nicht hier«, sagte sie. Und es klang so aggressiv, dass ich nur hoffen konnte, dass sie nicht versehentlich jemanden vom Zimmerservice erschoss.
    »In Ordnung«, sagte ich. »Halt die Augen offen.«
    »Mach dir keine Gedanken«, erwiderte sie. Ich hörte Chutsky im Hintergrund verdrießlich murmeln, und Deborah sagte: »Ich muss aufhören. Ich ruf dich später an.« Sie legte auf.
    Der Feierabendverkehr hatte seinen Höhepunkt erreicht, als ich mich in Richtung Süden zu Ritas Haus aufmachte, und ich ertappte mich dabei, dass ich fröhlich vor mich hin summte, als ein rotgesichtiger Mann in einem Pick-up mich schnitt und mir den Finger zeigte.
    Es war nicht nur das gewöhnliche Zugehörigkeitsgefühl, das der mörderische Verkehr von Miami wie stets in mir auslöste; ich fühlte mich außerdem, als wäre mir eine riesige Last von den Schultern genommen worden. Und so war es natürlich auch. Ich konnte zu Rita fahren, und kein brauner Taurus würde auf der anderen Straßenseite parken. Ich konnte frei von meinem aufdringlichen Schatten zu meiner Wohnung zurückkehren. Und noch wichtiger, ich konnte den Dunklen Passagier zu einem Ausflug mitnehmen, und wir würden zusammen etwas dringend benötigte Qualitätszeit verbringen. Sergeant Doakes war fort, aus meinem Leben verschwunden – und sehr bald vermutlich auch aus seinem.
    Völlig aufgekratzt rollte ich den South Dixie hinunter und bog zu Rita ab. Ich war frei – auch frei von allen Verpflichtungen, da man ernsthaft annehmen durfte, dass Chutsky und Deborah sich eine Zeit lang ruhig verhalten würden, um sich zu erholen. Das Gleiche galt für Dr. Danco – es ist wahr, dass ich ein gewisses Interesse daran verspürt hatte, ihn kennen zu lernen, und selbst jetzt hätte ich freudig ein paar Termine aus meinem

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