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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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ein Page einen Rollstuhl durch den Hoteleingang auf ihn zuschob.
     
    Es war erst kurz vor Mitternacht, als ich den Main Highway in Richtung meiner Wohnung hinunterrollte, was angesichts der ganzen Ereignisse dieses Abends kaum zu glauben war. Vinces Party schien mehrere Wochen her zu sein, und doch hatte er vermutlich noch nicht einmal seinen Bowle-Springbrunnen ausgeschaltet. Angefangen von der Heimsuchung durch die Stripperinnen bis zur Rettung Chutskys hatte ich mir meine Nachtruhe redlich verdient, und ich gebe zu, ich dachte an nichts anderes mehr, als in mein Bett zu kriechen und mir die Decke über den Kopf zu ziehen.
    Aber natürlich ist den Ruchlosen, zu denen ich mich selbstverständlich zähle, keine Rast vergönnt.
    Mein Handy klingelte, als ich nach links auf die Douglas abbog. Nur wenige Menschen rufen mich an, zumal so spät am Abend. Ich warf einen Blick auf das Display; es war Deborah.
    »Sei gegrüßt, liebste Schwester«, sagte ich.
    »Du Arschloch, du hast gesagt, du rufst an«, knurrte sie.
    »Es schien mir ein wenig spät«, erwiderte ich.
    »Hast du wirklich angenommen, ich könnte SCHLAFEN ?«, brüllte sie, laut genug, um den Fahrern der vorbeifahrenden Autos Ohrenschmerzen zu bereiten. »Was ist passiert?«
    »Ich habe Chutsky wieder«, sagte ich. »Aber Dr. Danco ist entkommen. Mit Doakes.«
    »Wo ist er?«
    »Ich weiß es nicht, Debs, er ist in einem Schlauchboot geflüchtet und …«
    »Kyle, du Idiot. Wo ist Kyle? Geht es ihm gut?«
    »Ich habe ihn am Mutiny abgesetzt. Er ist, äh … Es geht ihm einigermaßen«, sagte ich.
    »Was, verfickt noch mal, soll das heißen?!?«, kreischte sie mich an, und ich musste das Ohr wechseln.
    »Deborah, er wird wieder gesund werden. Er ist einfach – er hat die Hälfte seines linken Arms und die Hälfte seines rechten Beins eingebüßt. Und sein ganzes Haar«, sagte ich. Sie war einige Sekunden still.
    »Bring mir was zum Anziehen«, kommandierte sie schließlich.
    »Er ist total verunsichert, Deborah. Ich glaube nicht, dass er …«
    »Was zum Anziehen, Dexter. Jetzt«, sagte sie und legte auf.
    Wie ich schon sagte. Keine Rast den Ruchlosen. Ich seufzte schwer ob der Ungerechtigkeit des Ganzen, aber ich gehorchte. Ich war schon fast bei meiner Wohnung, und Deborah hatte einige Sachen dort zurückgelassen. Also lief ich hinein, sammelte Kleidung zum Wechseln ein und machte mich nach einem verlangenden Blick auf mein Bett auf den Weg zum Krankenhaus.
    Als ich eintrat, hockte Deborah auf der Bettkante und trommelte ungeduldig mit den Füßen. Sie hielt ihr Krankenhausnachthemd mit der Hand zusammen, die aus dem Gips herausragte, und umklammerte mit der anderen ihre Waffe und Marke. Sie sah aus wie eine Rachegöttin nach einem Unfall.
    »Jesus«, meckerte sie, »wieso zum Teufel hat das so lange gedauert? Hilf mir beim Anziehen.« Sie ließ ihr Nachthemd fallen und stand auf.
    Ich zog ihr ein Polohemd über den Kopf und streifte es unbeholfen über den Gips. Wir waren kaum mit dem Hemd fertig, als eine untersetzte Frau in Schwesternkleidung ins Zimmer stürzte. »Was glauben Sie, was Sie da tun?«, fragte sie mit dem schweren Akzent der Bahamas.
    »Gehen«, sagte Deborah.
    »Legen Sie sich sofort wieder ins Bett, oder ich hole den Doktor«, drohte die Schwester.
    »Holen Sie ihn«, sagte Deborah, die mittlerweile auf einem Fuß herumhüpfte, während sie versuchte, in ihre Hose zu schlüpfen.
    »Lassen Sie das«, sagte die Schwester. »Sie legen sich wieder hin.«
    Deborah hielt ihre Marke hoch. »Das ist ein polizeilicher Notfall«, verkündete sie. »Wenn Sie mich zurückhalten, bin ich befugt, Sie wegen Behinderung der Justiz zu verhaften.«
    Die Schwester glaubte, sie würde gleich etwas sehr Ernstes sagen, doch sie öffnete den Mund, musterte die Marke, musterte Deborah und schloss den Mund wieder. »Ich werde den Arzt verständigen müssen«, sagte sie.
    »Tun Sie das«, sagte Deborah. »Dexter, hilf mir mal, die Hose zuzumachen.« Die Schwester schaute noch einige Sekunden missbilligend zu, dann drehte sie sich um und sauste den Flur hinunter.
    »Wirklich, Debs«, bemerkte ich. »Behinderung der Justiz?«
    »Lass uns gehen«, antwortete sie und marschierte durch die Tür. Ich zockelte pflichteifrig hinter ihr her.
    Auf der Fahrt zum Mutiny war Deborah abwechselnd ängstlich und wütend. Entweder kaute sie an ihrer Lippe, oder sie knurrte mich an, schneller zu fahren, und als wir fast beim Hotel waren, wurde sie sehr still. Schließlich sah

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