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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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würde wissen, dass Kyle ein Profi war. Und wie ich Deborah bereits mitgeteilt hatte, bestand der einzige Zweck darin, das Opfer in kreischende, nicht wiederherstellbare Einzelteile zu zerlegen. Deshalb …
    Ich schlug die Augen auf.
    »Deb«, sagte ich. Sie sah mich an. »Ich befinde mich in der seltenen Lage, dir ein wenig Hoffnung anbieten zu können.«
    »Spuck’s aus«, sagte sie.
    »Es ist nur eine Vermutung«, sagte ich. »Aber ich glaube, Dr. Demenz wird Kyle ein wenig bei sich behalten, ohne ihn zu bearbeiten.«
    Sie runzelte die Stirn. »Warum sollte er das tun?«
    »Damit es länger dauert und um ihn weich zu kochen. Kyle weiß, was ihn erwartet. Er ist gewappnet. Aber stell dir vor, man lässt ihn einfach in der Dunkelheit liegen, gefesselt, damit seine Phantasie zu arbeiten beginnt. Und darum glaube ich«, fügte ich hinzu, als mir der Einfall kam, »dass vor ihm vielleicht noch ein anderes Opfer an der Reihe ist. Der Mann, der vermisst wird. Dann hört Kyle alles – die Sägen und Skalpelle, das Stöhnen und Flüstern. Vielleicht riecht er es sogar, weiß, dass auch er an die Reihe kommt, aber er weiß nicht, wann. Er wird halb wahnsinnig sein, ehe er auch nur einen Fußnagel einbüßt.«
    »Jesus«, sagte sie. »Das nennst du Hoffnung?«
    »Absolut. Es verschafft uns ein wenig mehr Zeit, um ihn zu finden.«
    »Jesus«, sagte sie wieder.
    »Ich könnte falsch liegen«, sagte ich.
    Sie sah wieder aus dem Fenster. »Lieg nicht falsch, Dex. Nicht dieses Mal«, sagte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. Das würde eine reine Schufterei werden, ohne jegliches Vergnügen. Mir fielen nur zwei Möglichkeiten ein, und mit keiner davon konnte ich vor dem Morgen beginnen. Ich sah mich nach einer Uhr um. Laut Videorekorder war es 12:00. 12:00. 12:00. »Hast du eine Uhr?«, fragte ich.
    Deborah runzelte die Stirn. »Wozu brauchst du eine Uhr?«
    »Um festzustellen, wie spät es ist«, antwortete ich. »Ich glaube, im Allgemeinen benutzt man sie dazu.«
    »Was für einen verdammten Unterschied macht das noch?«, fauchte sie.
    »Deborah. Wir haben kaum etwas in der Hand. Wir müssen noch einmal von vorn beginnen und die ganze Routinearbeit erledigen, an der Chutsky die Abteilung gehindert hat. Glücklicherweise können wir deine Marke benutzen, um herumzuschnüffeln und Fragen zu stellen. Aber wir müssen bis zum Morgen warten.«
    »Scheiße«, sagte sie. »Ich hasse warten.«
    »Na, na«, mahnte ich. Deborah sah mich äußerst säuerlich an, sagte aber nichts mehr.
    Ich wartete auch nicht gern, aber ich hatte es in letzter Zeit so oft getan, dass es mir vielleicht leichter fiel. Jedenfalls warteten wir, dösten auf unseren Stühlen, bis die Sonne aufging. Und dann kochte ich, neuerdings der Häuslichere von uns beiden, Kaffee – eine Tasse nach der anderen, da Deborahs Kaffeemaschine eins von diesen Singlegeräten für Menschen war, die nur selten Besuch bekamen und kein wirkliches Privatleben hatten. Im Kühlschrank lag nichts, das des Essens wert gewesen wäre, es sei denn, man war ein Wildhund. Sehr enttäuschend: Dexter ist ein gesunder Junge mit einem rasanten Stoffwechsel, und die Vorstellung, mich mit leerem Magen einem Tag zu stellen, der mit Sicherheit anstrengend werden würde, stimmte mich nicht gerade fröhlich. Ich weiß, die Familie geht vor, aber war damit nicht eigentlich nach dem Frühstück gemeint?
    Ach, na gut. Der unerschrockene Dexter würde wieder einmal Opfer bringen. Reiner Geistesadel, und ich konnte keinen Dank erwarten, aber man tut, was getan werden muss.

[home]
    15
    D oktor Mark Spielman war ein großer Mann, der eher wie ein ehemaliger Footballprofi als wie ein Arzt der Notaufnahme wirkte. Aber er war der Diensthabende gewesen, als der Krankenwagen das Ding im Jackson Memorial Hospital abgeliefert hatte, und er war absolut nicht glücklich darüber. »Falls ich jemals wieder so etwas sehen muss«, versicherte er uns, »werde ich mich pensionieren lassen und Dackel züchten.« Er schüttelte den Kopf. »Sie können sich gewiss vorstellen, was in der Notaufnahme des Jackson los ist. Ständiger Betrieb. Die ganzen Verrückten einer der verrücktesten Städte der Welt landen bei uns. Aber dieser Fall …« Spielman klopfte zweimal auf den Tisch in dem pastellgrün gestrichenen Personalraum, wo wir mit ihm saßen. »Das war etwas anderes«, sagte er.
    »Wie lautet die Prognose?«, erkundigte sich Deborah. Er sah sie scharf an.
    »Soll das ein Witz sein?«, erkundigte er sich. »Es gibt

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