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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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stand ein Feldbett, und auf dem Feldbett lagen Kleidungsstücke und ein Handy. Das Hemd kam mir bekannt vor, ich konnte mir denken, woher es stammte. Ich zog mein eigenes Handy heraus und wählte Sergeant Doakes’ Nummer. Das Handy auf dem Bett begann zu klingeln.
    »So, so«, sagte ich. Ich unterbrach die Verbindung und ging Chutsky holen.
    Er war genau da, wo ich ihn zurückgelassen hatte, obwohl er aussah, als wäre er weggelaufen, wenn er gekonnt hätte. »Um Himmels willen, komm schon, beeil dich«, rief er. »Jesus, ich kann beinahe seinen Atem in meinem Nacken spüren.« Er verdrehte den Kopf zur Hintertür und dann in Richtung Küche, und als ich zu ihm trat, um ihn zu stützen, wandte er sich ab, und sein Blick blieb an dem Spiegel hängen, der an der Wand war.
    Einen langen Moment starrte er auf sein Spiegelbild, und dann sackte er zusammen, als hätte man ihm sämtliche Knochen entfernt. »Jesus«, wimmerte er und begann wieder zu weinen. »Oh, Jesus.«
    »Komm«, sagte ich. »Gehen wir.«
    Chutsky erschauerte und schüttelte den Kopf. »Ich konnte mich überhaupt nicht rühren, ich lag einfach da und hörte, was er mit Frank machte. Er klang so munter – ›Was meinst du? Nein? In Ordnung, dann – den Arm.‹ Und dann das Geräusch der Säge und …«
    »Chutsky«, mahnte ich.
    »Und als er mich dann auf den Tisch legte und sagte ›sieben‹ und ›Was meinst du‹ und dann …«
    Selbstverständlich ist es stets interessant, etwas über die Techniken anderer zu erfahren, aber Chutsky schien allmählich sein letztes bisschen Kontrolle zu verlieren, und ich konnte es mir nicht leisten, ihn die andere Hälfte meines Hemds voll rotzen zu lassen. Deshalb trat ich einen Schritt näher und ergriff seinen gesunden Arm. »Chutsky. Komm jetzt. Wir hauen ab«, sagte ich.
    Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, als wüsste er nicht, wo er war, und wandte sich wieder dem Spiegel zu. »Oh, Jesus«, sagte er.
    Dann atmete er tief und rasselnd ein und erhob sich, als gehorche er einem imaginären Signal.
    »Gar nicht schlecht«, sagte er. »Ich bin am Leben.«
    »Ja, das bist du«, bestätigte ich. »Und wenn wir uns endlich in Bewegung setzen, bleibt uns dieser Zustand vielleicht erhalten.«
    »Richtig«, erwiderte er. Er wandte entschlossen den Blick vom Spiegel ab und legte seinen gesunden Arm um meine Schultern. »Gehen wir.«
    Chutsky hatte offensichtlich nicht allzu viel Erfahrung darin, auf einem Bein zu gehen, aber er hoppelte und humpelte dahin, wobei er sich nach jedem Hopser schwer auf mich stütze. Er war auch ohne seine fehlenden Teile ein großer Mann, und ich musste Schwerarbeit leisten. Kurz vor der Brücke zögerte er einen Augenblick und blickte durch den Maschendrahtzaun. »Er hat mein Bein hier hineingeworfen«, sagte er. »Für die Alligatoren. Er vergewisserte sich, dass ich ihn beobachtete. Dann hielt er es hoch, so dass ich es sehen konnte, und warf es hinein, und das Wasser begann zu kochen wie …« Ich erkannte die anschwellende Hysterie in seiner Stimme, aber er selbst hörte sie auch und verstummte, holte rasselnd Luft und sagte irgendwie rau: »In Ordnung. Lass uns abhauen.«
    Wir schafften es ohne weitere Ausflüge auf die Straße der Erinnerung bis zum Tor, wo sich Chutsky an einem der Pfosten abstützte, während ich es öffnete. Dann half ich ihm, zum Beifahrersitz zu hoppeln, setzte mich hinter das Steuer und ließ den Wagen an. Als die Scheinwerfer brannten, lehnte sich Chutsky zurück und schloss die Augen. »Danke, Kumpel«, sagte er. »Ich stehe in deiner Schuld. Danke.«
    »Gern geschehen«, erwiderte ich. Ich wendete den Wagen und machte mich auf den Weg zurück zur Alligator Alley. Ich dachte, Chutsky wäre eingeschlafen, aber auf halber Strecke entlang des schmalen Feldwegs begann er zu reden.
    »Ich bin froh, dass deine Schwester nicht hier war«, sagte er. »Wenn sie mich so gesehen hätte … Es wäre … Hör mal, ich muss mich wirklich zusammenreißen, ehe …«
    Er verstummte abrupt und sagte eine halbe Minute nichts mehr. Schweigend holperten wir den finsteren Weg entlang. Die Stille war eine angenehme Abwechslung. Ich überlegte, wo Doakes war und was er wohl tat. Beziehungsweise, was man mit ihm tat. In diesem Zusammenhang fragte ich mich, wo Reiker steckte und wie bald ich ihn an einen anderen Ort schaffen konnte. Irgendeinen stillen Ort, an dem ich in Frieden meditieren und arbeiten konnte. Ich rätselte, wie hoch wohl die Miete für die Blalock

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