Dunkler Schnee (German Edition)
sich gerade hin, als würde ihr so das Reden leichter fallen. Nach einem Blick durch die mit altmodischen Möbeln eingerichtete Küche beichtete sie: „Ich habe etwas Schreckliches getan.“ Sie sagte es nun so ruhig, als würde sie ihrer Freundin erzählen, sie habe sich ein neues Kleid gekauft.
Yvonne saß schweigend am Tisch. Bevor Marisa weitersprach, holte sie die Brötchentüte aus ihrer Tasche und gab sie Yvonne, die den Inhalt in den bereitstehenden Korb schüttete.
„Ich habe mich auf eine Affäre eingelassen“, erklärte Marisa und ließ sich wieder auf die Eckbank fallen. Sie spürte, wie ihre Wangen rot wurden, wusste aber, dass sie sich ihrer Freundin gegenüber nicht verstellen musste. Yvonne zuckte nur kurz mit einer Augenbraue, nahm sich ein Brötchen und schnitt es auf.
„Er ist ein Patient …“
„Du hast dich mit einem Patienten eingelassen?“, fragte Yvonne in vorwurfsvollem Ton.
Marisa blickte verlegen drein. „Lass mich ausreden – er ist ein Patient gewesen.“
Yvonne blickte kritisch. „Das macht es nicht besser.“
„Ich weiß.“ Marisa gab sich zerknirscht. „Volker hat mich regelrecht becirct! Er war so nett und süß und so unglaublich …“, sie suchte nach dem passenden Wort für ihren Eindruck, „… erwachsen! Es ist einfach geschehen.“
„Na, das haben schon viele gesagt: Es ist einfach geschehen! Aber geschieht so was einfach vor einer Hochzeit? Hast du etwa Schiss vorm Heiraten?“
„Ich weiß es nicht, ich weiß gar nichts mehr. Erst recht nicht, seit ich das …“, sie holte aus ihrer Handtasche einen zerknitterten Brief, „… bekommen habe.“
Yvonne nahm den Brief und öffnete ihn. Beim Lesen fiel ihr die Kinnlade runter. „Scheiße!“, sagte sie und ließ das Papier fallen, als sei es plötzlich heiß geworden und würde ihre Finger verbrennen. Auf dem Briefbogen stand in fetten Lettern:
Laurens wird sehr traurig sein, wenn er von dir und Volker hört … aber vielleicht wird er nicht traurig, sondern böse sein, und wenn Laurens böse wird, tut er schon mal Dinge, die ihm hinterher leidtun …
Ich weiß was, was du nicht weißt.
Ich weiß was, was Laurens nicht weiß.
Das bringt mich in die erhabene Situation, euch beiden zu helfen.
Aber Helfen kostet.
Ich melde mich wieder.
Gib schön acht auf die Post!
„Du sitzt ganz schön in der Scheiße“, sagte Yvonne und nahm den Brief doch wieder in die Hand, wie um sich zu vergewissern, dass dort tatsächlich stand, was sie gelesen hatte.
„Kannst du dir vorstellen, wie ich mich in letzter Zeit gefühlt hab? Nicht nur, dass ich Scheiße gebaut hab, nein, auch noch diese Angst! Und was das überhaupt bedeutet, was auf diesem Wisch steht! Hast du irgendeine Idee, was ich machen soll?“ Marisa stützte ihr Kinn auf die Hand. Dann fiel ihr die Flasche in ihrer Tasche wieder ein. „Wir haben zwar nix zu feiern, aber lass uns trotzdem anstoßen“, sagte sie, indem sie den Prosecco holte.
Yvonne überlegte laut, während sie zwei Gläser aus dem Schrank holte: „In zwei Wochen ist die Hochzeit. Bis dahin musst du rausfinden, wer dieses üble Spiel mit dir spielt.“
„Eigentlich …“ Marisa drückte ihren Rücken durch und setzte sich wieder zur vollen Größe hin, um dann in sich zusammenzusinken. „Eigentlich bin ich gar nicht mehr so sicher, ob ich Laurens heiraten soll!“
Yvonne schaute sie mit offenem Mund an, räusperte sich und fragte: „Du meinst, an der Andeutung, er könne gewalttätig werden, ist was dran?“
„Zumindest habe ich schon herausgefunden, dass er mich angelogen hat. Ich hab versucht, seine Familie in Gaggenau anzurufen. Laurens hat keine Telefonnummern aufgeschrieben, aber ich habe die Wiederholungstaste gedrückt, nachdem er angeblich mit seiner Mutter gesprochen hat.“ Marisa griff nun auch nach einem Brötchen und begann es aufzuschneiden. Ihre Augen wurden wieder feucht und sie musste sich erst die Nase putzen, bevor sie weitererzählen konnte.
„Es war zwar eine Nummer aus Gaggenau, aber sie hat nichts mit seiner Familie zu tun – es war das Autohaus, wo er seinen Wagen geleast hat.“
Yvonne hörte einen Moment zu kauen auf und sprach dann mit vollem Mund: „Du meinst, er lügt dich an und ist nicht das, was er zu sein vorgibt?“
„Ja, sonst hätte ich doch wahrscheinlich mal jemanden von seiner Familie kennengelernt. Ich habe übrigens im Internet und über die Auskunft nach den Telefonnummern seiner Leute Ausschau gehalten und keine
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