Dunkler Schnee (German Edition)
Missfallen.
„Keine Ahnung. Aber Schritt eins nehme ich bis dahin gerne an!“
Während Adam und Marisa über die nahe Zukunft diskutieren, beginnt es zu schneien. Erst leicht und harmlos, dann wird der Schneefall heftiger. Wind setzt ein, die Flocken fallen nicht mehr senkrecht, sondern werden hin- und hergewirbelt und fliegen zeitweise horizontal ungewissen Zielen entgegen. Adam drängt zum Aufbruch. Er will Marisa lieber mit zu sich in sein Haus nach Bedford nehmen. Dick vermummt und mit einem der beiden Koffer Gepäck stemmen sich die beiden eine Viertelstunde später über die eisverkrustete Einfahrt gegen Wind und Schnee hoch zur Straße. Adam ist mit seinem Dodge gekommen, den er bei schlechtem Wetter und für die Fahrten zur Arbeit benutzt. Marisa überlegt, ob sie ihren Leihwagen nehmen soll, den sie aufgrund der Glätte nicht in der Garage, sondern am Straßenrand geparkt hat, entscheidet sich aber dagegen. Es wirkt besser, wenn er dort stehen bleibt; das Haus soll bewohnt aussehen. Sie lässt auch das Licht auf der Veranda an. In Windeseile sind sie weiß gesprenkelt von den Schneeflocken, verstauen das Gepäck und rutschen fröstelnd auf die Sitze des Autos.
Sie fahren langsam über die Schneeschicht, folgen der Sunnylea Road durch ihre Kurven, in denen der Dodge trotz des geringen Tempos leicht ins Schlingern gerät. Sie passieren die einzige Abzweigung, die zum Shubenacadie-Canal führt, der die Verbindung der Seen Flechter und Grand Lake bildet und in weitere abgelegene Waldgrundstücke führt, und blinken schließlich rechts, um die Schienen zu überqueren und auf den alten Highway zu kommen. Der Schneefall wird heftiger. Die Scheibenwischer verschaffen nur bedingt bessere Sicht. Das rote Blinklicht der Signalanlage vor den Gleisen und deren rastloses Bimmeln zwingen Adam zum Halten. Schon sind die Hörner des herannahenden Zuges zu hören, kraftvoll dringt der Ton durch die vom Schneefall gesättigte Luft. Die gelben Scheinwerfer des Zuges pflügen durch die weiße Umgebung und werden rasch größer. Während die Scheibenwischer ihre monotone Arbeit verrichten, sehen Marisa und Adam schweigend dem Zug entgegen. Marisa fährt jedes Mal ein Schauer durch den Magen, wenn sie die mächtige Zugmaschine sieht. Wieder tönen die Hörner; der Klang scheint sich selber überholen zu wollen. Der tickende Blinker, die scharrenden Bewegungen des Wischers, das Bimmeln der Signalanlage sowie das lauter werdende Kreischen des Zuges vereinigen sich zur verkehrstechnischen Kakophonie, wogegen sich der stumme Schneefall wie eine vergebene Liebesmüh ausnimmt. Marisa will gerade mit Adam eine Wette abschließen auf die Länge des Zuges, denn nicht selten summieren sich die Waggons zur dreistelligen Zahl, als der Dodge plötzlich ins Rutschen kommt! Der Zug rast heran, der Wagen rutscht auf die Gleise zu! „Was ist das?“, schreit Marisa und stemmt eine Hand ans Seitenfenster, die andere gegen die Ablage, als könnte sie den Wagen damit abbremsen.
„Ich weiß nicht!“, ruft Adam zurück. Er blickt mit weit aufgerissenen Augen umher, seine Wangen sind plötzlich so rot wie sein Haar. Er tritt fest auf die Bremse, lenkt gegen, blickt in den Rückspiegel, aber die Heckscheibe ist voller Schnee. Mit Mühe betätigt er den Schalter für den Heckscheibenwischer, denn das Lenkrad verreißt augenblicklich. Marisa sieht auch nach hinten. Sie schreit unartikuliert. Ein dunkles Fahrzeug hat sich dicht hinter sie geklemmt und drückt den Dodge Richtung Schienen! Der Zug hört nicht auf, das Horn zu blasen, die Zugmaschine ist längst vorüber, doch eine schier endlose Reihe Güterwaggons rast über die Schienen, scheint näher und näher zu kommen, doch dabei ist es das Auto, das immer dichter an den Zug heranrutscht. Schon erscheint es Marisa, als kreischten nicht nur die Achsen der Eisenbahn, sondern als würde die Karosserie vom Zug aufgeschlitzt werden. Adam zieht die Handbremse, doch die Kraft, die von hinten drückt, ist mächtiger. „Wir müssen hier raus!“, schreit sie und versucht die Tür zu öffnen. „Adam! Raus! Raus!“ Sie drückt gegen die Tür, fühlt Hysterie aufsteigen, als sie bemerkt, dass die automatische Türverriegelung das Öffnen verhindert. „Adam! Mach die Türen auf!“
Adam hält mit starrem Blick und verkrampften Händen das Lenkrad, schaltet dann aber blitzschnell in den Rückwärtsgang. Mit Vollgas stemmt sich der Wagen laut aufheulend gegen den Angreifer. Marisa blickt sich um, doch
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