Dunkler Schnee (German Edition)
außer Schneegestöber und dem undefinierbaren Fahrzeug ist nichts zu erkennen. Der schlüpfrige Untergrund führt dazu, dass die Räder des Dodges durchdrehen, doch immerhin scheinen sie nicht mehr weiter nach vorne zu rutschen. Der Zug muss doch mal zu Ende sein! Die dröhnenden Motoren, der Zug und ein Hupen von irgendwoher übertönen Marisas Schreie. Dann, Sekunden später, die sich anfühlen wie ein erschöpftes Leben, schießt der Dodge völlig unvermittelt nach hinten. Der andere Wagen hat von ihnen abgelassen, wendet und verschwindet Richtung Canal. Das Hupen verstummt, Adam bremst, der Wagen rutscht an den Straßenrand und kommt mit einem Ruck zum Stehen. Der Zug rauscht immer noch vorüber, nicht mehr kreischend, sondern mit gleichmäßigem Rattern, passend zum immer noch ertönenden Läuten der Signalanlage. Plötzlich klopft es an die Scheibe. Marisa zuckt zusammen und fängt wieder an zu schreien. „Okay, ist okay, es ist vorbei.“ Adam lässt die Scheibe runter. Ein besorgt aussehender Mann fragt, ob er helfen könne. Man solle doch die Polizei rufen, was er da beobachtet habe, sei unglaublich.
„Danke, Sir“, sagt Adam. „Danke vielmals. Sie haben uns schon mehr geholfen, als wir verlangen können. Wenn Sie nicht gehupt hätten …“ Er sieht Marisa an, nickt ihr zu und tätschelt etwas unbeholfen ihren Schenkel.
„Ich habe nicht gehupt, ich kam gerade mit meinem Hund hier vorbei. Da kam ein anderer Wagen …“ Der Mann deutet die Straße hinunter. „Oh, er ist weg.“ Er zuckt mit den Schultern. „Sind Sie sicher, dass Sie zurechtkommen?“
„Ich denke schon, danke sehr“, antwortet Marisa, kann aber nicht verhindern, dass ihre Stimme brüchig klingt und ihr Tränen über die Wangen strömen.
„Ich habe dich gewarnt, Adam. Willst du mir immer noch helfen?“ Sie zittert auch Minuten später am ganzen Körper, bringt die Sätze nur leise über die Lippen. Adam hat den Dodge am Straßenrand in eine ungefährliche Position gebracht. Die Überlegung, dem dunklen Fahrzeug zu folgen, endete, kaum dass sie ausgesprochen war, in Kopfschütteln. Der Fremde wird den Canal überquert haben und irgendwo in einen der zahlreichen unbenannten Nebenwege mitten in den Wald verschwunden sein. Bei dem Schneegestöber ist jede Suche aussichtslos.
„Jetzt erst recht!“, antwortet Adam.
13. Besuch in Aachen
„Yvonne, ich muss dir was erzählen – können wir uns sehen?“ Marisa hielt mit der rechten Hand das Telefon und griff mit der linken nach dem Weinglas auf dem Tisch. Sie nahm einen Schluck und lauschte der Freundin, die besorgt nachfragte und, wie immer, offene Sinne für Marisas Leben hatte.
„Das klingt ja ernst. Na, klar doch! Du musst aber nach Aachen kommen, mein Auto ist nicht in Ordnung; ich fahr zurzeit keine langen Strecken.“
„Kein Problem, ich komme! Geht’s am Wochenende?“
„Du kannst kommen, wann immer du willst.“
„Super, mir fällt ein Stein vom Herzen!“
„Marisa? Alles okay mit dir?“
„Vorerst ja. Ich erzähl’s dir dann am Samstag. Ich komm zum Frühstück.“ Aufatmend legte Marisa auf, trank noch einen Schluck und hörte, wie ein Schlüssel im Schloss der Wohnungstür gedreht wurde. Schnell schaltete sie den Fernseher an und ließ sich auf die Couch plumpsen.
„Hallo Schatz!“ Laurens trat in den Flur, warf seine Jacke auf den Boden und kam ins Wohnzimmer, um Marisa einen Kuss zu geben. Aus seiner Sporttasche holte er eine Rose hervor.
„Oh, das ist so süß von dir“, sagte sie eine Spur zu laut und stand auf, um ihren Verlobten zu umarmen. Mit der Rose in der Hand ging sie in die Küche, um eine Vase zu holen. Laurens folgte ihr.
„Gibt’s kein Abendessen?“
„Ach, ich bin auch eben erst nach Hause gekommen und hatte keine Lust mehr zu kochen, Laurens. Ich dachte, wir bestellen uns was.“
„Aber du hast doch den ganzen Nachmittag frei gehabt?“ Laurens runzelte die Stirn; er lehnte sich mit verschränkten Armen an den Kühlschrank.
„Schatz, wir heiraten! Schon vergessen?“, versuchte Marisa ihn zu necken. „Es gibt so viel zu tun, da muss das Kochen halt mal hinten anstehen.“ Sie hatte das Gefühl, einen übermäßig roten Kopf zu bekommen, der gleich einem prall gefüllten Ballon in die Lüfte aufsteigt und verschwindet.
„Na ja, ich meine ja nur. Das meiste ist doch schon erledigt. Und du kochst halt gut. Ist es dir nicht angenehm, für mich zu kochen?“
Der Kopf saß noch auf dem Hals, aber das Gefühl der prallen
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