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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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knickten ein, und sein Kopf schlug gegen das Gatter. Ich spürte, wie er sich an meiner Taille festhalten wollte, als er zu Boden ging, sah seine Augen, die er vor Angst weit aufgerissen hatte, wie jemand, dem soeben klar wird, daß er in einen Abgrund stürzt. Und ich wußte, daß einmal mehr der alte Adam durchbrach und etwas Furchtbares mit mir vorging, das ich nicht aufhalten konnte.
    Er lag jetzt zu meinen Füßen und rang mühsam nach Luft. Blut lief ihm über das Gesicht, und seine Krawatte war nach hinten verdreht.
    Dann hörte ich wieder Beaus wildes Hufescharren, und ich sah Felix Ringo, der durch die helle Scheune auf mich zugerannt kam und gleichzeitig den Schlitten seiner Neun-Millimeter zurückzog.
    »Du bist nicht geboren worden, Gringo. Dich hat man aus der Scheiße deiner Mutter gezogen. Das hier ist für die Leute, die du drunten in Coahuila umgebracht hast«, rief er.
    Meine Hände fühlten sich schwer und nutzlos an, der Schweiß lief mir über die Brust, und der umgekippte Wassereimer kullerte durch den Staub zu meinen Füßen. Die Windmühle knatterte wie ein Fahrrad, an dessen Speichen man eine Spielkarte befestigt hat. Felix Ringo streckte die Arme aus, hielt die Neun-Millimeter mit beiden Händen, ging in die Hocke, so als sei er auf dem Schießstand, und legte mit dem Daumen den Sicherungshebel um.
    Temple Carrol duckte sich unter dem Gatter hindurch, riß L. Q. Navarros Revolver aus dem Holster, das ich an einen Stützpfahl gehängt hatte, und drückte Ringo die Mündung unmittelbar hinter das Ohr. Sie spannte den Hahn, so daß die Trommel einrastete.
    »Wie steht’s, Schmalzkopf? Soll ich dir das Gehirn übers Hemd verteilen?« fragte sie.

29
    Der nächste Tag brach ohne jedes Morgengrauen an. Der Himmel hing wie ein schwarzes Tuch über den samtgrünen Hügelkuppen, und Blitze zuckten durch die Wolken. Ich öffnete sämtliche Fenster und ließ die frische Luft herein, die nach Ozan und Regen roch. Mary Beth rief an, als ich gerade das Frühstück zubereitete.
    »Wo steckst du?« fragte ich.
    »Im Hotel in der Stadt.«
    »Wann bist du angekommen?«
    »Spätnachts. Ich bin gleich zu Bett gegangen.«
    »Ich hätte dich abholen können.«
    »Du meinst, wenn ich angerufen hätte?«
    »Nein, ich meine –«
    »Ich kann derzeit nicht groß im voraus planen.«
    »Ich habe einfach nicht gewußt, wann du kommst. Das habe ich gemeint.«
    »Ich habe gehört, daß du Brian auseinandergenommen hast. Worum ging’s?«
    »Wir haben uns unterhalten. Die Sache ist aus dem Ruder gelaufen.«
    »Er wird keine Anzeige erstatten. Mit dem geht’s beruflich bergab. Er steht praktisch schon mit einem Bein in Fargo, North Dakota.«
    Ich spürte, wie ich die Hand unwillkürlich fester um den Hörer legte.
    »Kannst du dir ein Taxi nehmen und rauskommen? Wir könnten zusammen in die Stadt fahren«, sagte ich.
    »Ich erwarte etliche Anrufe«, erwiderte sie.
    »Aha.«
    »Ein paar Leuten in meiner Dienststelle war gar nicht wohl dabei zumute, daß ich hierherkomme.«
    »Ja ... kann ich verstehen. Ich bin dir dankbar, daß du es trotzdem getan hast.«
    Ich kam mir dumm und dämlich vor, wie ein Bittsteller, während ich das Telefon ans Ohr drückte, als wäre es ein schwarzer Tumor.
    »Wann bin ich mit meiner Aussage dran?« fragte sie.
    »Vermutlich heute nachmittag. Mary Beth, geht’s dir um die Karriere? Oder bin ich einfach nicht der Richtige für dich?«
    »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Billy Bob.«
    Es war, als halle der Wind in dem stillen Haus wider.
    »Du siehst dich ständig als eine Fortsetzung deiner Vergangenheit«, sagte sie. »Daher bist du jeden Tag aufs neue dazu verdammt, dich mit Dingen zu befassen, die du nicht ändern kannst.«
    »Ich bin gleich in der Kanzlei. Schau vorbei, wenn du dazu kommst«, sagte ich.
    Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, ging ich zum Fenster und schaute auf die Düsternis über den Hügeln. Der Wind, der durch das Fliegengitter zog, blätterte die Seiten im Tagebuch meines Großvaters um. In meinem Kopf herrschte eine derartige Stille, daß ich meinte, ich könnte L. Q. Navarros Sporenräder klirren hören.
    Eine Stunde später kam Mary Beth vom Hotel aus in meine Kanzlei. Sie trug ein rosa Kostüm, eine weiße Bluse mit einer dunkelroten Brosche und sah absolut hinreißend aus. Doch alle Hoffnungen, daß sich die Beziehung auf der Stelle wieder auffrischen ließe, zerstoben, als keine dreißig Sekunden später Temple Carrol durch die Tür kam.
    Wir standen

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